Julia Bestseller Band 146
langsam zu ihr hingezogen fühlte?
Als er sie dann auf diese Reise nach Rio in seine Mannschaft eingeschlossen hatte, war sie überzeugt gewesen, dass er bereit war, ihre Beziehung zu vertiefen. Seine Zurückweisung im Lift letztens hatte zwar geschmerzt, aber sie konnte es nachvollziehen. Schließlich waren noch zwei andere Angestellte dabei gewesen. Sie hatte etwas dazugelernt: Man musste den richtigen Zeitpunkt abpassen. Zumindest hatte sie das gedacht.
Und jetzt … jetzt lag er mit einer Frau im Bett, die das genaue Gegenteil von allem verkörperte, was er sonst schätzte. Diese Frau war dunkelhaarig, klein und zog sich geschmacklos an. Ihr Haar war eine wirre Mähne, ihre Brüste waren zu groß. Mit Eleganz und Schliff hatte es nichts zu tun, wie sie ihn küsste oder berührte oder liebkoste, nicht einmal, wenn sie mit ihm redete. Und er war absolut verrückt nach ihr!
Keine Spur von Finesse, keine gekonnte Verführung. Nur animalische Gier und harter, zügelloser Sex. Selbst die Art, wie er sich jetzt ihre Beine um die Hüften zog, war eher die Art eines primitiven Tieres. Und die Frau stieß einen lüsternen Schrei aus, als er in sie eindrang.
Angewidert wandte Kinsella sich ab und verließ die Suite genauso leise, wie sie hereingekommen war, stieg über die überall verstreuten Kleidungstücke, machte sich auch nicht die Mühe, die Tür zu schließen.
Sobald sie in der Sicherheit ihres eigenen Büros war, öffnete sie den Safe und nahm den Aktenordner heraus, den Anton nach seinem Treffen mit einem gewissen Sanchiz dort hineingelegt hatte.
Zehn Minuten später legte sie ihn wieder zurück, griff zum Telefon und wählte eine Nummer in London.
„Mrs Scott-Lee? Ich denke, es wird Sie interessieren, dass Ihr Sohn eine Brasilianerin heiraten will. Eine Frau namens Cristina Ordoniz. Sie ist verwitwet.“
Lange blieb es still am anderen Ende, dann: „Sagten Sie Ordoniz? Sind Sie sicher?“
„Ja.“
„Wie alt ist sie?“
„Jung, ungefähr im gleichen Alter wie ich. Wie ich verstanden habe, war ihr Mann schon ziemlich alt, als sie ihn heiratete – des Geldes wegen. Sicherlich nicht die Frau, die Sie sich für Ihren Sohn wünschen, meine ich.“
Antons Mutter sagte nichts dazu, sondern erklärte nach einer längeren Pause: „Ich werde den nächsten Flug nach Rio nehmen. Danke für Ihre Hilfe in dieser Sache, Miss Lane …“
In London stand Maria Ferreira Scott-Lee in ihrem Ankleidezimmer, in der Hand ein kleines Päckchen von Estes & Kompagnons, ihres Zeichens Rechtsanwälte mit Sitz in Rio de Janeiro. Das Päckchen war an dem Tag angekommen, als ihr Sohn nach Brasilien geflogen war. Es enthielt ein Schmuckkästchen und einen Brief. Im Schmuckkästchen steckte ein mit Diamanten besetzter, exquisiter Smaragdring, der Brief war von Enrique, handgeschrieben und sehr persönlich. Der letzte Absatz war eine eindeutige Mahnung.
Mische Dich nicht in Dinge ein, die Du nicht verstehst, Maria. Unser Sohn wird Vaasco Ordoniz’ Witwe heiraten, und Du wirst vergessen, dass Du diesen Namen jemals gehört hast, wenn Dir die Liebe Deines Sohnes etwas bedeutet.
Doch sie konnte Vaasco Ordoniz nicht vergessen. Konnte nicht vergessen, dass Anton Vaascos Sohn geworden wäre, wäre Enrique nicht aufgetaucht.
Das Leben spielt einem manchmal seltsame Streiche, dachte sie und ließ sich seufzend auf den Schemel vor der Spiegelkommode sinken. Enrique war der attraktivste Mann, der ihr jemals begegnet war. Ihn auf Vaascos Ranch zu treffen hatte ihr Leben ruiniert. Verlobt mit Vaasco, verliebt in ihn, war sie trotzdem Enriques Charme erlegen und in seinem Bett gelandet. Als sie herausfand, dass sie schwanger von Enrique war, hatte sie es Vaasco beichten müssen.
Es war nur verständlich, dass er sie aus seinem Haus hinausgeworfen hatte.
„Zurück in die Gosse, wo du hingehörst“, hatte er sie angeschrien.
Sebastian war ihr zu Hilfe geeilt. Der liebe, gute Sebastian, der in Brasilien gewesen war, um Pferde von Vaasco zu kaufen. Er hatte sie mit sich nach England genommen, eine schwangere, zu Tode beschämte Frau mit gebrochenem Herzen.
Der Kreis schließt sich, dachte sie jetzt. Der Name Ordoniz suchte sie erneut heim. Wer war diese Frau? Woher hatte Enrique sie gekannt? Warum hatte er Anton zu dieser Frau geschickt? Was für ein Spiel wurde hier getrieben?
Die Frau sei jung, hatte Kinsella Lane gesagt. Vaasco war ein sehr vermögender Mann gewesen. Was war das für ein Mensch, der einen alten Mann um des Geldes
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