JULIA COLLECTION Band 07
Anlegesteg über eine Befestigungsmauer aus grobem Stein und über den Rasen. Eine große Wurzel der Ulme ragte aus dem Boden und bot einen bequemen Sitzplatz.
Gabe drängte Elizabeth, sich zu setzen, da er befürchtete, sie könnte jeden Moment ohnmächtig werden. „Ruhen Sie sich einen Moment aus. Ich werde Ihnen eine Limonade geben.“
Sie strich ihren Rock glatt und bedeckte so viel Haut wie möglich. Gleichzeitig balancierte sie den Notizblock und schob ihre schwere Tasche zurecht. „Nein danke. Wirklich, ich …“
Doch er hatte schon eine Dose geöffnet. „Hier, trinken Sie.“ Er drückte ihr die Dose in die Hand und wartete, bis sie gehorsam daran genippt hatte. „Geht es Ihnen besser?“
„Ja, danke.“
Sie benahm sich so argwöhnisch, dass er unweigerlich neugierig wurde. Sie war nicht sein Typ – dazu war sie viel zu aufdringlich, zu steif und … rothaarig. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sie in der Sonne schmoren lassen würde. Seine Mutter würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn sie annehmen müsste, dass er einer Lady gegenüber unhöflich wäre. Jeder Lady. Außerdem war sie auf ihre gezierte Art niedlich.
Gabe nahm sich eine Cola und setzte sich auf die Kühltasche. Er beobachtete Elizabeth, während sie trank. „Erzählen Sie mir von diesen Helden.“
Sie leckte sich vorsichtig die Lippen und stellte die Dose ins Gras, bevor sie Gabe ansah. „Ich schreibe an meiner Doktorarbeit. Bisher habe ich ungefähr ein halbes Dutzend Männer befragt, die kürzlich für heldenhafte Taten gelobt worden sind. Bis jetzt waren es alles ähnliche Charaktere. Aber Sie …“
„Im Ernst? Was für einen Charakter haben Helden?“
„Bevor ich Ihnen das verrate, würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Ich möchte nicht, dass Ihre Antworten von denen der anderen beeinflusst sind.“
Gabe runzelte die Stirn und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Glauben Sie, ich würde lügen?“
„Nein!“, versicherte sie ihm rasch. „Nicht bewusst. Aber damit meine Arbeit unverfälscht bleibt, führe ich die Interviews lieber alle auf die gleiche Weise.“
„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich nicht interviewt werden möchte.“ Er musterte sie, bemerkte ihre Frustration und tippte darauf, dass seine mangelnde Kooperationsbereitschaft nicht dem typischen Verhalten eines Helden entsprach.
Nach einer Weile sagte sie: „Na schön. Kann ich Sie etwas ganz anderes fragen?“
„Kommt drauf an. Fragen Sie, dann werde ich sehen, ob ich antworten will.“
„Wieso haben Sie den Fisch wieder ins Wasser geworfen?“
Gabe sah über die Schulter zum See. „Den Fisch, den ich gerade gefangen habe?“
„Ja. Wieso angeln Sie, wenn Sie Ihren Fang nicht behalten?“
Er lachte leise. „Sie kommen nicht oft an den See, nicht wahr?“ Gabe schaute sie neugierig an.
„Ich bin nicht aus der Gegend. Ich bin nur hier …“
„Um mich zu interviewen?“
„Ganz recht.“ Sie trank einen weiteren Schluck Limonade und erklärte: „Ich habe eine Wohnung gemietet und bleibe den ganzen Monat, bis das Studium wieder beginnt. Bis dahin will ich sämtliche Recherchen beendet haben. Ich dachte, ich sei schon fertig, und wollte einen Kurzurlaub machen, als ich in der Zeitung von Ihnen las und mich entschied, noch ein weiteres Gespräch zu führen.“
„Sie arbeiten also in Ihren Ferien?“ Er schnaubte. Das war schlichtweg verrückt. Urlaub war zum Entspannen da, und die Vorstellung, dass jemand seinen Urlaub damit vergeudete, ihm auf die Nerven zu gehen, erschien ihm absurd.
„Sagen wir, ich hoffte, meinen Urlaub mit diesem Interview verbinden zu können. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Ihre Situation erschien mir einzigartig, und jedes Mal, wenn Sie zitiert wurden, sprachen Sie von jemand anderem.“
„Ich erinnere mich.“ Die Leute, von denen er geredet hatte, waren viel interessanter als alles, was er über sich zu erzählen hatte.
„Sie redeten davon, wie mutig die beiden kleinen Kinder gewesen seien …“
„Es waren ja auch süße Kinder …“
„… und Sie hielten eine strenge Strafpredigt über Alkohol und Wassersport.“
„Dies ist sozusagen ein trockener See, was bedeutet, dass Alkohol nicht erlaubt ist. Dieser Trottel, der aus seinem Boot gefallen ist, hätte jemanden umbringen können.“
Die natürliche Sinnlichkeit ihres scheuen Blicks verblüffte ihn. Sie war bisher so förmlich gewesen, dass er damit nicht gerechnet hatte.
„Aber Sie sagen ständig,
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