JULIA COLLECTION Band 12
„Hör auf, mich von oben herab zu behandeln! Du hast nie geglaubt, ich könnte etwas von der Rancharbeit verstehen, du hast mir nie zugestanden, dass ich mich bemühe, mein Bestes zu geben. Wir sind einen Monat lang ganz gut zurechtgekommen, bevor du erschienen bist. Ich habe die gleiche Arbeit getan wie Shem und seine Söhne. Aber betrachtest du mich als ebenbürtig? Nein. Du bist wie meine Eltern. Du benimmst dich, als wäre ich ein Kind, für das diese Ranch einfach ein neues Spielzeug ist, das es gern hätte.“
Dylan war nicht sicher, wie er mit diesem Temperamentsausbruch umgehen sollte, also versuchte er es mit Humor. „Du bist kein Kind. Das werde ich deinen Eltern gern bescheinigen.“
„Du nimmst mich nicht ernst“, beschuldigte sie ihn.
„Weil du dich lächerlich machst. Ein bisschen“, räumte er ein. „Und all das nur, weil ich gesagt habe, dass Zucker schlecht für die Zähne eines Pferdes ist?“
Abigail war so zornig über seinen Mangel an Verständnis, dass sie ihm am liebsten die Zähne eingeschlagen hätte. „Das reicht. Von nun an wird es keine ‚zufälligen‘ kleinen Berührungen mehr geben, keine Serenaden mit dieser verdammten Gitarre und keine Küsse!“
„Wenn du meine Küsse nicht willst, solltest du sie nicht erwidern“, erklärte er in einem Ton, wie man ihn gewöhnlich bei störrischen Pferden und widerspenstigen Kindern anwandte.
„Keine Sorge, das werde ich auch nicht!“
„Was wirst du nicht?“
„Deine Küsse erwidern. Dich überhaupt küssen. Und damit ist diese Unterhaltung beendet.“
Als Abigail zum Haus zurückstürmte, drehte Dylan sich um und sah, dass die Katze auf einem Zaunpfosten in der Nähe saß. „Pferde sind leichter zu verstehen als Frauen“, sagte er zu ihr.
Offensichtlich war die Katze weiblich, denn sie hob die Nase, sprang vom Zaun und ging weg. „Ihr Frauen haltet doch immer zusammen!“, rief Dylan ihr nach.
Ein paar Tage später wurde Abigail früh am Morgen von einer weiteren Sabotage, einer ernsteren diesmal, in die Wirklichkeit zurückgebracht. Als sie zum Postamt von Big Rock fahren wollte, stellte sie fest, dass jemand alle vier Reifen ihres Wagens aufgeschlitzt hatte. Diesmal rief sie selbst den Sheriff an und bestand darauf, dass er kam und sich den Schaden ansah.
Shem fühlte sich schlecht, weil er Wache gehalten hatte, als es passiert war. „Ich bin ja kein Prophet, aber ich hätte doch mit so etwas rechnen müssen.“ Er ließ den Kopf hängen und zerknautschte seinen Hut.
„Das konnten Sie doch nicht wissen“, tröstete Abigail ihn.
„Jedenfalls habe ich den Sheriff gerufen.“
„Er ist nicht gerade als gerechter Richter bekannt“, warnte Shem sie.
„Ich wusste gar nicht, dass Sheriff Tiber auch Richter ist“, erwiderte Hondo. Als sein Vater ihm daraufhin auf den Arm schlug, wirkte Hondo noch verwirrter als üblich. „Was habe ich denn diesmal gesagt?“
Sheriff Tiber erschien erst abends gegen sechs und stellte auch dann nur sehr oberflächliche Ermittlungen an.
„Teenager“, meinte er und spuckte seinen Kautabak aus.
„Warum sollten Teenager mir die Reifen aufschlitzen?“, fragte Abigail. „Außer es hat sie jemand dazu angestiftet. Jemand, der will, dass ich von dieser Ranch verschwinde.“
„Wer sollte das denn sein?“
„Hoss Redkins. Wie ich Ihnen schon erklärt habe, hat er gesagt, es würde mir noch leidtun, wenn ich ihm die Ranch nicht verkaufe.“
„Natürlich wird Ihnen das noch leidtun. Er hat Ihnen ein großzügiges Angebot gemacht. Das heißt aber nicht, dass er jemand beauftragt, Ihnen die Reifen aufzuschlitzen. Hören Sie zu, ich weiß, dass Sie schon als Kind aus der Stadt weggezogen sind, aber ich kann Ihnen versichern, dass Hoss Redkins ein aufrechter Bürger von Big Rock ist. Er hat mächtig viel Einfluss hier.“
Offensichtlich auch auf den Sheriff, dachte Abigail. Allmählich begriff sie die Zusammenhänge, und die gefielen ihr gar nicht.
„Das wäre nicht passiert, wenn Dawg noch am Leben wäre“, meinte Hondo später beim Dinner.
Da Abigail das Gefühl hatte, Gesellschaft zu brauchen, und außerdem meinte, die Anwesenheit der anderen würde sie schon vor Dylans Anziehungskraft schützen, saß sie heute mit an dem alten Esstisch, den ihr Onkel gebaut hatte, als sie noch ein Kind gewesen war.
„War Dawg ein guter Wachhund?“, fragte Raj.
Hondo nickte. „Er war der beste Chihuahua, den es je gegeben hat. Für so einen kleinen Hund konnte er verdammt laut
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