JULIA COLLECTION Band 12
empfand als ein rein körperliches Verlangen, war jedoch weitaus beunruhigender. Sexuelle Anziehungskraft war etwas sehr Mächtiges, aber kombiniert mit Liebe, war sie geradezu überwältigend.
Nicht, dass Abigail dumm genug wäre, sich in einen Typ wie Dylan zu verlieben, der ständig weiterzog. Wenn seine Verletzung ihn nicht gezwungen hätte, mit den Rodeos aufzuhören, hätte er nicht mal daran gedacht, sich mit ihr einzulassen. Und auch so konnte sie von Glück sagen, wenn er Ende August immer noch da war.
Ein Sommer, mehr würde sie nicht mit ihm verbringen. Kaum zwei Monate. Und das war nicht genug. Sie wusste das. Genau wie sie wusste, dass die Küsse ihr nicht genügt hatten. Sie hatte sich mehr gewünscht und er ebenfalls. Aber da endete die Ähnlichkeit auch schon.
Dylan wollte unkomplizierten Sex ohne Liebeserklärungen. Das war Abigail klar, und doch fand sie es fast unmöglich, auf die Leidenschaft zu verzichten, die er ihr versprach. Und es wurde mit jeder Minute schwerer für sie.
Wenn ich hier stehe und ihn anstarre, hilft mir das nicht gerade, ermahnte sie sich jetzt und warf ihm doch noch einen letzten Blick zu. Sie musste dafür sorgen, dass ihr Verhältnis kühl und geschäftsmäßig blieb. Sie war die Rancherin, er der Verwalter.
Abigail versuchte das an diesem Abend während des Dinners durchzuhalten, wurde aber abgelenkt, als Dylans Finger ihre streiften, während er ihr erst die Soße reichte, dann die Karotten, dann den Salat. Immer wieder gab er ihr Schüsseln, ob sie das wollte oder nicht. Und jedes Mal nutzte er die Gelegenheit, sie zu berühren.
Als er danach vor ihrem Fenster Gitarre spielte, setzte sie Kopfhörer auf und drehte ihren tragbaren CD-Player auf höchste Lautstärke. Aber es half ihr nicht viel.
Als die Musik draußen aufhörte, hielt sie die Spannung nicht aus. Sie rollte mit ihrem Stuhl zum Fenster und sah nach, was los war. Dylan lehnte am Zaun des Korrals. Sein Pferd, Traveler, rieb sich an seiner Schulter, und Abigail dachte, dass sie jetzt auch gern mit ihm geschmust hätte.
Während sie noch zusah, stieg Dylan auf den Zaun und streichelte Travelers dunkle Mähne. Eine Sekunde später saß er auf dem Rücken des Pferdes und ritt ohne Sattel durch den Korral. Schließlich beugte er sich vor und öffnete das Tor, das auf die Wiese führte.
Dann ritt er in den Sonnenuntergang, wie es in zahlreichen Hollywood-Western zu sehen war. Der Himmel war aufsehenerregend. Jeder Regisseur wäre stolz auf diese Kulisse gewesen. Das Licht betonte die Bergspitzen, sodass die Gipfel der Rocky Mountains viel näher schienen, als sie in Wirklichkeit waren.
Eine so großartige Szenerie konnte einen Mann bedeutungslos erscheinen lassen, aber bei Dylan war das nicht der Fall. Er war ein wichtiger Bestandteil des Ganzen. Die Silhouette von Mann und Pferd in einem offenen Tal verkörperte den Geist des Wilden Westens.
Als Abigail sich fast mit dem Stuhl über die nackte Zehe gerollt wäre in ihrer Anstrengung, einen letzten Blick auf Dylan zu werfen, wusste sie, dass Schluss damit sein musste. Es war notwendig, dass sie Dylan vergaß und in ihren gewohnten Rhythmus zurückfand, ihr Buch schrieb und die Ranch schützte. Es gab Menschen, die sich auf sie verließen. Raj, Ziggy, Shem, ihre Lektorin, ihre Agentin. Es war Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.
Aber als Raj später an diesem Abend mit dem sechsten Kapitel in ihr Zimmer kam, merkte Abigail, dass ihre Taktik nicht funktionierte.
„Du hast vergessen, Dylans Namen aus der Liebesszene auf Seite neunundneunzig rauszunehmen.“ Es gelang Raj ungefähr zwei Sekunden lang, ernst zu bleiben, dann lachte sie los.
„Es ist gut, dass du eine enge Freundin von mir bist, sonst wäre ich in Versuchung, dich umzubringen“, meinte Abigail düster.
„Ich habe gehört, dass sexuelle Frustration einen Menschen zu so etwas treiben kann.“
„Das ist nicht komisch! Nichts, was ich versucht habe, hat funktioniert!“, jammerte Abigail. „Ich habe mich bemüht, ihn wie einen Angestellten zu behandeln …“
„Auf den du scharf bist …“
„Oder wie einen Freund …“
„Auf den du scharf bist …“, wiederholte Raj.
„Ich habe ihm sogar grünes Licht gegeben, damit er mich nicht weiter verfolgt. Bei dem Tanz habe ich seinen Kuss erwidert und bin dadurch nur in noch größere Schwierigkeiten geraten. Ich habe versucht, ihn abzuschrecken, indem ich vom Häuslichniederlassen gesprochen habe und vom Instinkt einer Frau, ein Nest
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