JULIA COLLECTION Band 12
bestimmt nicht in diese Sache verwickelt werden …“
„Doch, das will ich“, unterbrach sie ihn. „Komm schon, mach auf.“
„Okay.“ Er öffnete den Mund, als wäre er beim Zahnarzt, und streckte dann Gaylynn die Zunge raus.
„Sehr komisch. Ich meinte, du sollst die Bibliothek aufschließen.“
Hunter konnte sich kaum das Lächeln verkneifen. Sein Plan funktionierte!
Er bemühte sich um einen missbilligenden Gesichtsausdruck und näherte sich nur zögernd der Tür. „Also, ich weiß ja nicht …“
„Aber ich weiß es. Komm schon, beeil dich, und schließ auf!“
„Dieses Haus steht seit fünf Jahren leer. Es läuft dir nicht weg.“
Aber Gaylynn wird weggehen, dachte er. Zurück zu ihrem Zuhause in der Stadt. Sie hatte sich bereits verändert und ein neues Ziel gefunden. So sollte es auch sein. Das hatte er doch gewollt, oder? Trotz ihrer Küsse vorhin, die eine so starke Wirkung auf ihn ausgeübt hatten, dass er fast dahingeschmolzen wäre.
Er sah Gaylynn nachdenklich an. Sie stand jetzt neben dem geschnitzten Holzschild mit der Aufschrift „Lonesome Gap Leihbücherei“. Als Hunter merkte, wie neugierig sie es betrachtete, sagte er: „Floyd hat das gemacht. In den vierziger Jahren, glaube ich. Er hat viel geschnitzt, bevor seine Augen zu schlecht dafür wurden.“
Als er endlich aufschloss und die Tür öffnete, wollte Gaylynn an ihm vorbeieilen, aber er hielt sie am Arm fest. „Du musst auf Schlangen achten. Ganz zu schweigen von Mäusen und Spinnen.“
Tatsächlich hatte Hunter das Gebäude schon am Tag zuvor durchsucht, aber das sollte Gaylynn natürlich nicht wissen.
Sie sah sich jetzt im Inneren um. Alles war selbstverständlich eingestaubt. In den Ecken hingen Spinnweben, die denen ähnelten, die sie in Chicago zu Halloween immer als Dekoration befestigten. Nur waren diese echt.
Das Gebäude sah aus, als wäre es ziemlich hastig geschlossen worden. Stühle standen unordentlich um einen Holztisch herum. Eine Uhr an der Wand war um drei Minuten nach drei stehen geblieben. Überall lag Staub. Weiße Laken, die inzwischen grau geworden waren, bedeckten die meisten Regale, in denen keine Bücher mehr standen.
Gaylynn hörte ein lautes Niesen und sagte „Gesundheit“. Erst dann merkte sie, dass es Bo Regard gewesen war. Er lag jetzt auf der Türschwelle, und durch das heftige Niesen war eins seiner langen Ohren quer über den Kopf geschleudert worden. Der Hund wirkte so verblüfft, dass Gaylynn lachen musste.
Hunter hätte sie am liebsten auf der Stelle geküsst. Sie zu verführen gehört nicht zu deinem Konzept, ermahnte er sich entschlossen.
„Hast du genug gesehen?“, erkundigte er sich stattdessen.
„Wo sind die Bücher?“
„Ich glaube, der Frauenverein hütet sie. Da musst du Ma Battle fragen.“
„Das werde ich tun.“
Hunter merkte, dass sie bereits Pläne schmiedete. „Du bist doch nicht in die Berge gekommen, um zu arbeiten“, wandte er ein.
„Mach dir keine Sorgen um mich.“ Sie tätschelte seine Wange. „Geh ins Sheriffbüro zurück. Ich schließe dann ab.“
Hunter wischte sich den Staub aus dem Gesicht, den Gaylynn dort unabsichtlich abgestreift hatte, und diesmal konnte er sich das Grinsen nicht verkneifen. „Ich lasse Bo Regard als Gesellschaft für dich da.“
„Das ist nett.“
„Aber ihr beide steigt nicht aufs Dach, verstanden?“
„Nein“, murmelte sie.
Hunter schlang einen Arm um ihre Taille, zog sie an sich und küsste sie auf die Lippen. „Willkommen zurück“, flüsterte er und strich ihr über die Wange. Eine Sekunde später war er fort.
„Der Mann treibt mich noch zum Wahnsinn“, sagte Gaylynn zu Bo Regard.
„Das habe ich gehört“, rief Hunter von draußen.
„Gut“, rief sie zurück. „Das solltest du auch.“
Nachdem sie zu ihrer Zufriedenheit das letzte Wort gehabt hatte, konzentrierte sie sich darauf, was alles getan werden musste, um die Bücherei wieder zu öffnen, selbst wenn es nur für begrenzte Zeit war. Es tat ihr gut, ein Projekt zu haben, um das sie sich kümmern konnte.
„Ich dachte doch, dass das Ihr Auto ist, das ich da gesehen habe.“ Bessie Twitty stand in der Tür. „Ich habe Floyd den Laden überlassen, um mal nachzusehen, was hier los ist. Hallo, Bo Regard. Wirst du neugierig auf deine alten Tage?“
„Ist er ein sehr alter Hund?“, fragte Gaylynn.
„Na ja, niemand weiß genau, wie alt Bo Regard ist, aber es müssen so etwa vier Jahre sein. Er ist bloß wählerisch, was die Orte angeht,
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