JULIA COLLECTION Band 12
die er besucht. Wenn er einen mag, legt er sich einfach hin und bleibt da. Kein schlechtes Leben, finde ich.“
„Da haben Sie absolut recht.“
„Was halten Sie nun von der Bücherei? Das Haus ist ziemlich runtergekommen im Lauf der Jahre.“
„Das sehe ich. Erzählen Sie mir mehr davon“, bat Gaylynn. „Was glauben Sie, wer am meisten von einer Neueröffnung profitieren würde?“
„Die Kinder natürlich. Sie haben die Bücherei früher immer benutzt und würden es mit Sicherheit wieder tun. Sie haben auf dem Boden gesessen, während Miss Russell in dem großen Schaukelstuhl da drüben saß und ihnen aus einem Bilderbuch vorlas.“
„Hunter sagt, der Frauenverein lagert die Bücher.“
„Das ist richtig. Ich bin Mitglied, ebenso wie Ma Battle. Wir sind ungefähr ein Dutzend, die meisten aus Lonesome Gap, aber einige stammen auch von weiter weg, von den kleinen Farmen in der Gegend.“
„Wäre der Frauenverein bereit, mir zu helfen, das Haus sauberzumachen?“
„Ich schätze schon. Wozu?“
„Um die Bücherei wieder zu eröffnen.“
„Mit Ihnen als Bibliothekarin? Was für eine wundervolle Idee!“ Bessie umarmte Gaylynn begeistert. „Also ist doch alles so gelaufen, wie Hunter es wollte.“
„Was meinen Sie denn damit?“
„Nichts“, erwiderte Bessie eilig. „Manchmal weiß ich einfach nicht, was ich sage.“
„Warten Sie mal! Ist es etwa so, dass Hunter mich anstacheln wollte, hier Bibliothekarin zu werden? Hat er beabsichtigt, dass ich die Bücherei wieder eröffne?“
„Wir möchten unsere Bücherei wiederhaben, aber keiner von uns versteht auch nur das Geringste davon. Gemeinsam eine Patchworkdecke anzufertigen oder so, das ist eine völlig andere Sache. Wir haben unsere Spezialitäten, doch Bibliotheken …“ Bessie schüttelte den Kopf. „Die gehören nicht dazu.“
„Lassen Sie uns mal zu Hunter zurückkehren“, sagte Gaylynn. „Was haben Sie damit gemeint, als Sie …“
„Ach je, Floyd ruft nach mir. Ich sollte besser gehen.“
„Ich habe nichts gehört.“
„Eine Ehefrau weiß immer, wann ihr Mann sie braucht. Ich bin ja so froh, dass Sie die Bücherei wieder aufmachen wollen, und ich werde eine Versammlung des Frauenvereins einberufen, wann immer es Ihnen passt. Geben Sie mir einfach Bescheid.“
„Das werde ich tun. ‚Eine Ehefrau weiß immer, wann ihr Mann sie braucht.‘ Was für ein Unsinn! Allerdings weiß eine Frau immer, wann sie reingelegt worden ist“, murmelte Gaylynn, nachdem Bessie hinausgeeilt war. Als sie nun über Hunters Aktionen während der letzten vierundzwanzig Stunden nachdachte, konnte sie deutlich ein Muster erkennen. Er hatte angedeutet, dass sie in der Stadt gebraucht würde, ihr geraten, sich auf nichts einzulassen.
„Also, dieser …!“, sagte sie so laut, dass Bo Regard den Kopf ungefähr zwei Zentimeter hob und beide Augen öffnete. Die schloss er aber gleich wieder und gähnte.
Hunter hatte Gaylynn mit einem Köder vor der Nase herumgewedelt, und sie hatte angebissen. Er hatte ihr befohlen, sich fernzuhalten, und sie war prompt losgerannt. Genau wie er es gewollt hatte.
Und was war mit dem Kuss gewesen? Na ja, eigentlich hatte sie selbst Hunter zuerst geküsst. Aber er hatte heftig darauf reagiert. Doch was sonst würde ein heißblütiger Mann tun, wenn eine wilde Frau sich ihm in die Arme warf? Und die Tatsache war nicht zu verkennen, dass Hunter sogar sehr heißblütig war. Kochend heiß, genau gesagt. Zumindest weckte er dieses Gefühl bei ihr.
Aber sie wollte nicht über ihre Gefühle für Hunter nachdenken. Auch ohne das war sie schon verwirrt genug.
„Du bist wirklich schlau, das muss ich dir lassen“, erklärte sie, als sie ihm wenig später die Schlüssel zurückgab.
„Bezieht sich das auf etwas Bestimmtes?“, wollte er wissen. „Oder meinst du meine allgemeine Intelligenz?“
Statt ihm ihren Verdacht mitzuteilen, lächelte sie nur und küsste ihn auf die Wange. Es tat ihr ausgesprochen gut, zu sehen, wie total verwirrt er darauf wirkte. Schließlich befand sie sich selbst in diesem Zustand. Da war es nur richtig, wenn es ihm ebenso ging. Außerdem war es wirklich nett von ihm gewesen, sich ihretwegen solche Mühe zu machen.
Gaylynn hatte schon fast die Tür erreicht, als er sie zurückrief. „Warte mal! Ma Battle hat angerufen, weil sie dich gesucht hat. Sie möchte gern, dass du heute bei ihr vorbeikommst, wenn du Zeit hast. Den Laden hat sie schon geschlossen. Ihr Haus ist in südlicher Richtung
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