JULIA COLLECTION Band 14
Kaum hatte er gerufen, stand der Butler, den er von seinem Vater übernommen hatte, in steifer Haltung wartend neben ihm.
„Ja, Sir?“
James kniff die Augen zusammen und fuhr sich beherrscht durch die schulterlangen schwarzen Haare. „Würden Sie mich bitte James nennen?“, bat er den alten Mann wie jeden Tag. „Ich bin erst dreißig.“
Statt darauf zu reagieren, wich Begley der Bitte wie immer aus und fragte: „Was wünschen Sie?“
„Ich gehe aus.“
Diese Ankündigung war erstaunlicher, als sie klang, da James sich nur sehr selten in der Öffentlichkeit zeigte. Zumindest nicht freiwillig, und schon gar nicht ohne Verkleidung. Ein Mann von so weltweiter Berühmtheit konnte es sich nicht erlauben, sich unter die Leute zu mischen. Sie würden über ihn herfallen, um ein Andenken an die Begegnung zu haben.
„Und was werden Sie tragen?“, erkundigte sich Begley.
Momentan trug James nichts außer zinnfarbenen seidenen Boxershorts. Daher dachte er einen Augenblick nach und nippte an seinem Scotch.
„Den auberginefarbenen Hugo-Boss-Anzug“, verkündete er schließlich. „Nein, warten Sie“, sagte er, als Begley schon zum Schrank auf der anderen Seite des Zimmers unterwegs war. „Der Anlass erfordert etwas Zwangloseres.“ Er zwinkerte dem Butler zu. „Immerhin trägt die Frau, die ich besuchen will, überhaupt nichts.“
Begley verzog keine Miene. „Darf ich dann den Armani-Anzug vorschlagen? Die graue Hose und dazu ein weißes T-Shirt.“
„Ausgezeichnet“, erwiderte James lächelnd. „Das Grau passt zu meinen Augen.“
Begley hob eine Braue. „Absolut.“
Der Butler ging, um die Kleidung zusammenzustellen. James kehrte zum Teleskop zurück, das auf die nackte Blondine gerichtet war. Ihr Gesicht war noch immer abgewandt, doch hatte sie einen Arm über dem Kopf angewinkelt und die Zehen wie eine Ballerina gestreckt. Heftige Erregung durchströmte ihn, doch er nahm sich zusammen. Er würde noch Gelegenheit genug bekommen, seiner Lust freien Lauf zu lassen.
Es war leicht, solche Vorhersagen zu treffen, denn alle Frauen reagierten gleich auf ihn. Sie verliebten sich in ihn, manchmal wochenlang. Daher gab es keinen Grund für die Annahme, dass die Frau in dem Garten sich anders benehmen würde.
„Soll ich Omar veranlassen, den Wagen vorzufahren?“, fragte Begley von der anderen Seite des Zimmers.
James nickte, und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Aber ja.“
„Und welches Ziel darf ich ihm nennen?“
James suchte mit dem Teleskop, bis er das Straßenschild gefunden hatte. „Sagen Sie Omar, wir fahren zu einem pinkfarbenen Haus mit Stuckfassade nahe der Kreuzung Oak Street und … Maple Street.“ Er drehte sich zu Begley um und trank den Scotch aus. „Klingen diese Straßennamen im Mittleren Westen nicht drollig?“
Begley hob wieder nur eine Braue. „Drollig, natürlich. Ich werde umgehend nach Omar telefonieren.“
„Tun Sie das, und sagen Sie ihm, ich bin in fünfzehn Minuten unten.“ James warf einen letzten raschen Blick durch das Teleskop auf die nackte Schönheit und wandte sich dann der Kleidung zu, die Begley auf dem Doppelbett bereitgelegt hatte. „Und er soll sich ein Buch mitbringen, möglichst ein dickes. Ich habe nämlich vor, eine Weile zu bleiben.“
Kirby Connaught döste behaglich in der Sonne und genoss die Wärme auf der nackten Haut. Plötzlich richteten sich ihre Nackenhärchen auf. Sie öffnete die Augen. Merkwürdig. Sie hatte das eigenartige Gefühl, von jemandem beobachtet zu werden. Aber das war unmöglich. Niemand konnte durch den über zwei Meter hohen Zaun spähen, der ihren kleinen Garten umgab. Außerdem waren die Nachbarn zu beiden Seiten bei der Arbeit.
Sie wäre selbst bei der Arbeit, wenn sie etwas zu tun gehabt hätte. Unglücklicherweise entdeckte sie gerade, dass es in einer Kleinstadt nahezu unmöglich war, ein Unternehmen aufzuziehen. Besonders wenn es dabei um Innenarchitektur ging.
Niemand in Endicott wollte eine Veränderung, nicht in der Stadt, und schon gar nicht in ihren Häusern. In dieser kleinen Gemeinde geschah niemals etwas, also warum sollte irgendjemand einer Veränderung gegenüber aufgeschlossen sein? Wenn sie versucht hätte, eine Karriere als Voodoo-Queen zu starten, wäre sie vermutlich erfolgreicher gewesen.
Es hatte eine Zeit in ihrem Leben gegeben, in der sie ihre Heimatstadt dafür geliebt hatte, dass sich nie etwas in ihr veränderte und entwickelte. Sie hatte das gemächliche Tempo und die
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