JULIA COLLECTION Band 14
hatte vergessen können. Besonders nicht den Moment, als sie mit Walt Zapfel, dem besten Baseballspieler der Highschool, auf der Abschlussfeier in einer Reihe gestanden hatte. Sie hatte über die Schulter nach Willis Ausschau gehalten und ihm zugelächelt.
Es war ein richtiges Lächeln gewesen, ein warmes, herzliches Lächeln, das Willis tief im Inneren berührt hatte. Es schien auszudrücken, dass sie ihn wirklich mochte, dass sie ihn vermissen würde. Und dann hatte Walt den Arm um sie gelegt und sie fest an sich gezogen, und sie hatte sich ihm wieder zugewandt.
Dieses Lächeln hatte Willis nie vergessen können, sosehr er sich auch darum bemüht hatte. Hier in Endicott war die Erinnerung natürlich besonders intensiv. Und obwohl er sich in Cambridge ein ganz neues Leben aufgebaut hatte, das mit Rosemary überhaupt nichts mehr zu tun hatte, konnte er den Gedanken einfach nicht loswerden, wie sie aussehen würde, nackt, wunderschön und mit diesem warmherzigen Lächeln neben ihm in seinem Bett, das immer so kalt und leer war.
6. KAPITEL
Willis stand von dem Stuhl vor dem Teleskop auf und bedeutete Rosemary, sich hinzusetzen. Er sah verärgert aus, und Rosemary fragte sich, was sie denn nun schon wieder falsch gemacht hatte. Sie sah ihn etwas ängstlich von der Seite her an, setzte sich aber. Vorsichtig umfasste sie das Okular und beugte sich vor, um hindurchzusehen.
Schlagartig veränderte sich ihre Haltung. Alle Anspannung fiel von ihr ab. „Oh, Willis“,flüsterte sie. „Das ist ja fantastisch.
Ist das Bob?“
„Ja, das ist Bobrzynyckolonycki“, sagte er beinahe feierlich.
„Er ist … er ist …“
„Er ist wunderschön, findest du nicht?“
Sie konnte nur nicken, es war überwältigend. Hell leuchtend stand Bob am samtdunklen Nachthimmel, der von Sternen übersät war. Der Komet war Lichtjahre von ihr entfernt, und dennoch hatte Rosemary den Eindruck, er wäre zum Greifen nahe.
Vor fünfzehn Jahren war der Komet lediglich ein heller Punkt am Himmel gewesen, und Rosemary musste lächeln, als sie daran dachte. „Kein Wunder, dass du von diesem Zeug immer so fasziniert warst“, bemerkte sie leise.
Er trat jetzt direkt hinter sie. „Ich will dir das ‚Zeug‘, wie du es nennst, mal aus einer anderen Perspektive zeigen.“
Sie ließ das Okular los und richtete sich auf. Willis beugte sich über sie und griff nach verschiedenen Hebeln, um das Teleskop etwas anders auszurichten. Dann spähte er durch das Okular und drehte an einem anderen Knopf, um die Schärfe zu regulieren.
Da sich sein Kopf nur wenige Zentimeter neben dem ihren befand, nahm sie Willis’ ganz unverwechselbaren Duft wahr. Sie fühlte die Hitze, die von seinem Körper ausging und sie einzuhüllen schien. Willis berührte sie mit der Schulter, und für einen langen Augenblick stand er so dicht neben ihr, dass sie ihn mit den Armen hätte umfassen und an sich ziehen können. Sie hätte ihm das Gesicht an die Brust legen können und nur den Kopf zu heben gebraucht, um ihn zu küssen. Natürlich nur, wenn sie gewollt hätte. Und plötzlich wurde ihr klar, dass sie genau das wollte.
Gerade als sie sich an ihn schmiegen wollte, fiel ihr ein, in welch verächtlichem Tonfall er wiederholt hatte, was sie voller Begeisterung herausgesprudelt hatte – „Zeug“. Da war sie wieder, die Herablassung, weil sie so wenig wusste, und sie hielt mitten in der Bewegung inne.
Was war so schlimm daran, dass sie die genauen Fachausdrücke nicht kannte? Warum durfte sie nicht einfach die Schönheit des Sternenhimmels genießen, nur so, ohne gleich das, was sie sah, fachgerecht benennen zu können? Um etwas zu bewundern, musste man doch nicht wissen, wie es funktionierte. Wahrscheinlich konnte sie sich an all dem sowieso mehr freuen als Willis, der immer gleich alles notieren musste.
Vielleicht sollte man sowieso nicht so viel analysieren, nicht das Universum und nicht ihre Gefühle für Willis.
Er trat ein paar Schritte zurück und ließ Rosemary wieder an das Okular. Jetzt konnte sie den Schweif des Kometen besser erkennen, eine lange leuchtende Bahn in Hellblau und Gelbweiß. Ein Wunder.
„Was genau ist ein Komet?“, fragte sie. Um ihm nicht den Eindruck zu geben, sie täte nur interessiert, um ihn zu ködern, fuhr sie fort: „Bitte in einer Sprache, die auch wir Laien verstehen können und die mein winziges Gehirn nicht überfordert.“
Ein leises Stöhnen war das einzige Anzeichen dafür, dass er ihre Ironie wahrgenommen hatte. „Es
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