JULIA COLLECTION Band 14
Notizen und stand auf. Er streckte sich und sah dabei auf die Uhr. Es war bereits nach Mitternacht.
Ob Rosemary wohl wie üblich noch unten fernsah? Er fragte sich, wie sie morgens nur rechtzeitig aus den Federn kam, wenn sie so lange aufblieb. Vielleicht gehörte sie zu den Menschen, die nur wenig Schlaf brauchten.
Kein Wunder, dass sie nicht besonders viel im Kopf hatte.
Halt!,sagte er sich. Warum zog er denn immer über ihre mangelnde Intelligenz her, selbst wenn er gar keinen Anlass hatte?
Warum fiel ihm automatisch immer nur Negatives ein, wenn er an sie dachte?
Er holte tief Luft. Wahrscheinlich, weil er sich ständig daran erinnern wollte, dass es ein Riesenfehler wäre, sich in sie zu verlieben. Und solange sie ihn wegen seiner Unverschämtheiten hasste, war die Gefahr, das zu tun, sehr viel geringer.
Er müsste doch fähig sein, die Gefühle, die er für sie vor fünfzehn Jahren empfunden hatte, endgültig aus seinem Herzen zu reißen. Für einen Teenager war es normal, sich dauernd zu verlieben, aber ein erwachsener Mann sollte darüber stehen.
Liebe empfand man jemandem gegenüber, der ähnliche Interessen, Erfahrungen und Bedürfnisse hatte. Und davon konnte bei Rosemary und ihm keine Rede sein.
Er begehrte sie, das ja, daran gab es keinen Zweifel, aber Liebe? Kein Gedanke. Es sei denn, an der Sache mit Bob war doch etwas dran. Wie war sonst zu erklären, dass sich damals, gerade als der Komet Endicott überquerte, ein hochbegabter Dreizehnjähriger in eine hirnlose Schönheit verliebte?
Halt! Wieder rief er sich zur Ordnung. Er war schließlich Wissenschaftler, und es gab keinerlei wissenschaftlichen Beweis, dass der Komet oder irgendein anderer Himmelskörper das menschliche Verhalten beeinflussen konnte. So angenehm ihm diese Erklärung auch gewesen wäre, Bobrzynyckolonycki trug keine Schuld.
Willis streckte sich noch einmal, ging dann zu der Bodentreppe und stieg hinunter. Er konnte das Geräusch des laufenden Fernsehers hören. Außerdem stand Rosemarys Schlafzimmertür offen, also war sie noch nicht im Bett. Er ging die Treppe ins Erdgeschoss hinunter und warf einen Blick ins Wohnzimmer.
Rosemary schlief fest. Sie hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt. Ihr Nachthemd war hochgerutscht, die dunklen Locken waren ihr ins Gesicht gefallen. Sie atmete tief und gleichmäßig.
Willis trat langsam näher. Ihm war rätselhaft, warum sie jeden Abend vor dem Fernsehapparat verbrachte, anstatt mit irgendeinem gutaussehenden Mann die Stadt unsicher zu machen. Früher hatte sie dauernd einen neuen Freund gehabt, denn fast alle Jungen auf der Schule waren in sie verknallt gewesen. Warum saß sie jetzt jeden Abend zu Hause, zumindest, seit er, Willis, wieder nach Endicott zurückgekommen war?
Er kam noch näher und versuchte verzweifelt, den Blick von dem sanften Schwung ihrer Hüften und der leicht gebräunten glatten Haut ihrer Schenkel zu lösen, aber er konnte es nicht. Ohne sich dieser Geste bewusst zu sein, strich er Rosemary ein paar Locken aus der Stirn. Sie bewegte sich leicht, wachte aber nicht auf. Eine ihrer Hände lag halb geöffnet auf dem Kissen neben ihrem Gesicht, und Willis wünschte sich nichts sehnlicher, als Rosemary in seine Arme zu ziehen. Natürlich gab er diesem Impuls nicht nach, sondern strich nur leicht über die beiden auffälligsten Handlinien.
Die Herzlinie und die Kopflinie. Eine frühere Freundin hatte sich für das Handlesen interessiert, obgleich sie zu intelligent war, um wirklich daran zu glauben. Beide Linien trafen sich nie, fiel ihm jetzt wieder ein, eigentlich merkwürdig. Vielleicht aber auch nicht.
Herz und Hirn mussten eng zusammenarbeiten, um die Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Aber wenn es um Gefühle ging, kämpften sie gegeneinander wie verfeindete Katzen. Selbst der genialste Kopf hatte dafür keine Erklärung.
Im Augenblick wusste Willis lediglich, dass Rosemarys Hand weich und warm war. Ob sie sich überall so anfühlte? Sicher, er hatte immer diesen Eindruck gehabt, dass sie, abgesehen von ihrer scharfen Zunge, überall weich und warm und glatt war. Wie oft hatte er sich als Teenager gewünscht, sich an sie zu kuscheln, um die harte, nüchterne Welt der Wissenschaft mal für einen Moment vergessen zu können. So oft, wenn er sich mit Problemen der Quantenphysik hätte beschäftigen sollen, hatte er an Rosemary gedacht, an ihren weichen Mund und daran, ob er sie wohl trotz seiner Zahnspange küssen könnte.
Er hörte einen leisen Laut. Sie
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