JULIA COLLECTION Band 20
geschnittenes Kleid anschaffen, nur für den Fall, dass Egbert sie zum Tanzen ausführte. Es war schon Ewigkeiten her, seit Daisy tanzen gegangen war. Dabei hatte sie immer so gern getanzt. Konnte Egbert überhaupt tanzen?
Vielleicht konnten sie ihre Kenntnisse im Tanzen gemeinsam auffrischen. Und auch noch ein paar andere Kenntnisse. Sie schluckte, um ihre aufkeimende Sehnsucht zu unterdrücken.
Dafür war sie jetzt eindeutig zu erschöpft. Ein langer deprimierender Tag lag hinter ihr, aber wenigstens war er jetzt so gut wie vorüber. Gleich nächste Woche würde sie anfangen, sich um ihre eigenen Pläne zu kümmern.
Eigentlich konnte sie auch jetzt sofort damit anfangen, indem sie bei Paul anrief und sich einen Termin zum Haareschneiden geben ließ. Nichts Aufregendes, sondern nur eine kleine Veränderung, um Egbert ein wenig zu irritieren. Er sollte sich fragen, ob ihm bisher irgendetwas entgangen war.
Gerade als Daisy nach dem Telefonhörer griff, klingelte es. Vor Schreck ließ sie die Klebebandrolle fallen. Die Anrufe hatten in dem Moment angefangen, als sich die Nachricht von Harveys Tod herumgesprochen hatte. Steinmetze wollten ihr einen Grabstein verkaufen, Historiker des Orts einen Rundgang durchs Haus vereinbaren, Antiquitätenhändler und Makler – sie alle hatten wie die Aasgeier gewartet und wollten nun als Erste das Geschäft machen.
Daisy hatte alle Anrufer an Egbert als Harveys Nachlassverwalter verwiesen.
„Bei Snow“, meldete sie sich knapp. Eigentlich brauchte sie hier einen Anrufbeantworter, doch für die kurze Zeit lohnte sich das nicht mehr.
„Daisy, Liebes, du klingst, als brauchtest du eine Massage oder einen starken Drink oder eine Großpackung Schokokirschen. Wie ist es dir heute denn so ergangen?“
„Abgesehen davon, dass es wie aus Kübeln gegossen, der Pfarrer dauernd geniest hat und nur eine Handvoll Leute da war?“
„Wir haben dir angeboten mitzukommen“, warf Sasha sofort ein.
„Ich weiß, ich bin einfach nur schlecht gelaunt. Wenn es statt der Schokokirschen etwas mit Kokosnuss gibt, bin ich sofort dabei.“ Daisy ließ sich auf das Bett fallen, das aus dem Nebenzimmer wieder herübergebracht worden war, nachdem ein paar Sanitäter das angemietete Krankenhausbett abgeholt hatten. Seit Tagen kämpfte Daisy jetzt schon gegen ihre Depression an.
„Sieh mal, Marty und ich dachten uns, dass unser letztes Projekt schon so lange zurückliegt. Jetzt hat sie ihren Buchladen geschlossen und trinkt zu viel.“
Im Hintergrund hörte Daisy Marty sofort protestieren.
„Und ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie fünf Pfund zugenommen hat. Siehst du das auch so?“
Daisy musste lächeln, auch wenn sie genau erkannte, dass die zwei lediglich versuchten, sie irgendwie aufzuheitern. „Lasst mich mal eine Runde lang aussetzen. Ich werde mich bestimmt nicht in das Leben anderer einmischen, während ich die Überbleibsel eines fremden Lebens sortiere und feststelle, dass wahrscheinlich kaum jemand etwas davon haben will.“
„Ach, Liebes, es bringt dich nicht weiter, wenn du dich schmollend einkapselst.“
Sasha hatte ein weiches Herz, und das kaschierte sie oft mit ihrer glamourösen Ader und ihrer fast schroffen kumpelhaften Art.
„Ich schmolle ja gar nicht.“ Daisy besaß genug Berufserfahrung, um sich persönlich nicht zu eng an einen Patienten zu binden. Andererseits hatte sie Harvey länger als sonst einen Patienten betreut.
„Na komm schon! Bist du bereit für eine Herausforderung?“, drängte Sasha und lachte leise.
Daisy seufzte. In letzter Zeit hatte sie sich genug Herausforderungen gestellt. Sollten ihre Freundinnen lieber denken, sie trauere noch, als dass sie von ihren Zukunftsplänen erfuhren. Wenn sie auch nur den kleinsten Hinweis darauf lieferte, würden die beiden sie so lange bedrängen, bis Daisy mit dem nächstbesten Blödmann verlobt war, den Marty und Sasha hatten auftreiben können.
Nein, vielen Dank. Hatte sich Daisy erst einmal für etwas entschieden, dann wollte sie es auch auf ihre Weise tun. So handelte sie, seit sie dreizehn Jahre alt war. Damals hatten ihre Adoptiveltern sich getrennt, und keiner der beiden hatte Daisy behalten wollen. Daisy war damit fertig geworden, und genau so würde sie auch heute ihre Probleme allein bewältigen. Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich in Egberts Haus im Park Drive wohnen und von ihm schwanger sein, sagte sie sich.
„Daisy, wach auf, Liebes.“
„Ich bin ja hier. Also schön, um wen geht
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