Julia Collection Band 21
aber heute war der freie Tag des Kindermädchens, und sie wirkte erschöpft. Ohne auf den halbherzigen Protest der Freundin zu achten, ging Pippa mit den Kleinen ins Haus, um Tabby zu entlasten.
Nach dem Dinner dankte Pippa Christien und Tabby für ihre herzliche Gastfreundschaft. Am Morgen wollte sie mit dem Zug in die Dordogne fahren und zum ersten Mal das Grab ihrer Mutter besuchen. Anschließend beabsichtigte sie, nach Paris weiterzureisen, um sich eine Unterkunft und einen neuen Job zu besorgen. Christien hatte ihr bereits eine lukrative Stellung und sein Pariser Apartment angeboten, doch Pippa zog es vor, ihre Freundschaft nicht zu belasten, indem sie Gefallen annahm, die sie nicht erwidern konnte.
„Meinst du, ich könnte Hillary überreden, uns zu besuchen?“, fragte Tabby, als sie Pippa zu deren Schlafzimmer begleitete.
„Sie würde gern kommen, aber sie ist durch ihre kleine Schwester und den Salon ziemlich angebunden“, entgegnete Pippa. „Ich wünschte, eine von uns hätte von Jen gehört, aber sie ist wie vom Erdboden verschwunden.“
„Sie war schon immer sehr scheu. Bestimmt wird sie sich irgendwann melden. Inzwischen sollten du, Hillary und ich für das neue Jahr ein Treffen planen“, schlug Tabby vor, bevor sie Pippa Gute Nacht sagte.
Als Pippa aus der Dusche kam, hörte sie draußen einen Helikopter landen. Das war nichts Ungewöhnliches, denn als Besitzer einer internationalen Fluglinie flog Christien häufig selbst, genau wie viele seiner Bekannten.
Nachdem sie ein kühles weißes Baumwollnachthemd übergestreift hatte, legte sie gerade die Garderobe für den nächsten Tag zurecht, als es an der Tür klopfte und Tabby lächelnd den Kopf hereinsteckte. „Überraschung!“, rief sie übermütig wie ein Schulmädchen. „Mach die Augen zu! Du darfst sie erst wieder öffnen, wenn du hörst, dass sich die Tür geschlossen hat. Übrigens brauchst du dich morgen auch nicht zu beeilen, zum Frühstück herunterzukommen“, fügte sie kichernd hinzu.
Seufzend gehorchte Pippa. Als die Tür zuschnappte, träumte Pippa von einem Becher heißer Schokolade mit geschmolzenen Marshmallows oder einer anderen sentimentalen Erinnerung an die Kindheit. Als sie jedoch die Augen aufschlug, rang sie schockiert um Atem. Statt eines beruhigenden Schlummertrunks hatte Tabby einen einsfünfundneunzig großen Mann ins Gästezimmer gebracht.
„Tabby ist sehr nett“, meinte Andreo.
Ein Blick auf ihn genügte, und Pippa hatte das Gefühl, einer Ohnmacht nahe zu sein. Er war der Mann, nach dem sie sich seit zwei langen Wochen gesehnt hatte. Der Mann, den sie herbeigesehnt und zugleich gehasst hatte, an dessen Arm die schöne Lili gehangen hatte, als Pippa ihn zuletzt gesehen hatte. Ihr Magen krampfte sich zusammen, als die grausamen Bilder vor ihrem geistigen Auge erstanden. Aber Schmerz und Zorn boten keinen ausreichenden Schutz vor seiner männlichen Schönheit und erotischen Ausstrahlung, die ihre Sinne beflügelte. Sein dunkelgrauer Maßanzug betonte die breiten Schultern, schmalen Hüften und langen Beine. Andreo sah einfach hinreißend aus.
„Wie, zum Teufel, hast du herausgefunden, wo ich bin?“, fragte sie empört. „Ich habe es niemandem erzählt.“
„Bei deinem letzten Telefonat mit Marco hörte er, dass dich jemand auf Französisch angesprochen hat.“
„Ich werde ihm nie verzeihen, dass er es dir verraten hat.“
„Sei nicht unfair, bella mia. Du hast ihn lediglich gebeten, deine Telefonnummer nicht weiterzugeben, und das hat er respektiert. Ich musste ihn ein bisschen unter Druck setzen, bis ihm die Sache mit dem Französisch wieder einfiel.“
Pippa warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Du Grobian … er ist erst vierzehn!“
„Und selbst in diesem zarten Alter hat Marco ein ausgeprägtes Gespür für Familienehre und Loyalität“, konterte er trocken.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, wie du mich aufgespürt hast.“
„Ich habe deine Vergangenheit durchleuchten lassen.“
Sie traute ihren Ohren kaum. „Du hast … was?“
„Durch deine Familie hast du enge Verbindungen nach Frankreich. Deine Freundschaft mit Tabby und Christien Laroche legte die Vermutung nahe, dass du von hier angerufen hast.“
„Ich kann nicht glauben, dass du hergekommen bist.“
„Glaub es, amore“, meinte Andreo ungerührt.
„Ich mag mir gar nicht vorstellen, mit welch wilden Geschichten du dir hier Einlass verschafft hast.“
Er blickte sie würdevoll an. „Ich brauchte gar keine
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