Julia Collection Band 23
war jung, erst dreiunddreißig, und Fußball war sein Leben.
Mit einer Nackenstütze trugen sie ihn vom Platz und brachten ihn ins Krankenhaus. Dort lag er vier Tage lang, hilflos und gelähmt, während ein Ärzteteam eine Untersuchung nach der anderen vornahm. Außer einem gelegentlichen Prickeln spürte er absolut nichts, und seine Panik wuchs mit jedem Tag.
Sportseiten und Boulevardpresse waren angefüllt mit Spekulationen über seine Zukunft. Würde er sich wieder bewegen können? Gehen? Fußball spielen?
Was für eine Frage! Natürlich würde er! Er musste!
Fußball war sein Rettungsanker. Ohne ihn säße er schon längst in Barcelona hinter einem Schreibtisch, um sich mit den eintönigen Angelegenheiten des Familienunternehmens zu befassen. Natürlich wusste er, dass er es eines Tages tun musste, es war seine Pflicht. Aber er sagte sich, dass es damit noch Zeit hatte. Das kam später. Viel später.
Im Moment spielte er Fußball. Etwas anderes gab es nicht für ihn.
Seine Erleichterung war unbeschreiblich, als er Finger und Zehen zum ersten Mal wieder bewegen konnte. Das Schlimmste war überstanden, er würde wieder gesund werden, er würde wieder spielen. Es war lediglich eine Frage der Zeit und der Beharrlichkeit.
Er schonte sich nicht. Vier Monate lang tat er alles, was man ihm befahl, und weit mehr. Er trainierte bis zur Erschöpfung. Als er sicher war, dass er konditionell wieder alles geben konnte, präsentierte er sich Ärzten, Trainern und den Teambesitzern.
„Es ist so weit“, verkündete er. „Ich bin wieder fit, so gut wie neu.“ Und er bewies es ihnen auf dem Rasen.
Sie sahen ihm höflich zu, doch dann schüttelten sie zu seinem größten Erstaunen die Köpfe. „Ihre Form ist erstaunlich, aber mit dem Spielen ist es leider vorbei. Das Risiko ist zu groß.“
Ungläubig starrte er sie an. „Risiko? Welches Risiko?“
„Bei den Untersuchungen haben die Ärzte festgestellt, dass Sie an einer angeborenen Rückenmarksverengung leiden, die die Lähmung mitverursacht hat. Beim nächsten Mal kann es passieren, dass Sie gelähmt bleiben.“
„Wie wollen Sie wissen, dass es noch einmal passiert?“
Sie sahen ihn nur an. „Und wie wollen Sie wissen, dass es nicht mehr passiert?“
Letztendlich siegte die Versicherungsgesellschaft: Sie weigerte sich, das Risiko einzugehen. Ein Team, in dem er spielte, würde sie nicht versichern.
Seine Karriere war zu Ende.
Für Joaquin brach eine Welt zusammen. Er war gesund, er war fit – und er war am Ende.
Sein Vater ging davon aus, dass er nach Hause kommen würde. „Das Leben geht weiter“, sagte er. „Was du jetzt brauchst, ist eine Beschäftigung. Hier erwartet dich dein Job. Seit vierzehn Jahren, wie du weißt“, fügte er mit leichtem Vorwurf hinzu.
Aber Joaquin konnte nicht, er brachte es nicht fertig. Noch nicht.
Lachlan versuchte, ihn aufzumuntern. „Ich weiß, wie dir zumute ist, aber das geht vorbei, glaub mir. Als ich aufhörte, ging es mir genauso. Was du jetzt brauchst, sind Zeit und Ruhe, um zu überlegen, wie es weitergehen soll.“
Sein Freund konnte gut reden, er hatte stets gewusst, wie es bei ihm einmal weitergehen würde. Noch vor Ende seiner Karriere erwarb er mehrere alte Gebäude auf Pelican Cay und anderen Inseln der Bahamas und ließ sie restaurieren. Als er dem Fußball Lebewohl sagte, kam er nach Pelican Cay zurück und verwandelte sie in eine Kette kleiner exklusiver Luxushotels. Dann heiratete er seine Jugendliebe Fiona, die Tochter eines einheimischen Fischers, und war inzwischen Vater eines kleinen Sohns. Er hatte eine Zukunft, und sie war sein eigenes Werk.
Joaquins Zukunft stand von Geburt an fest. Wie alle Männer seiner Familie würde auch er eines Tages das Unternehmen der Santiagos weiterführen.
Seit der Erfindung des Telefons waren die Santiagos im Kommunikationsbereich etabliert. Joaquins Urgroßvater – nach ihm war er benannt – hatte die Firma gegründet, und aus dem kleinen Unternehmen von damals war mit den Jahren ein internationaler Konzern geworden.
„Wir Santiagos gehen mit der Zeit“, pflegte sein Vater voll Stolz zu behaupten. „Das Geschäft liegt uns im Blut, wir haben keine Angst vor Risiken.“
Von seinem Sohn erwartete er das Gleiche. Joaquin wusste es, und er würde seinen Vater nicht enttäuschen. Martin Santiago sah in seiner Fußballbegeisterung nur eine vorübergehende Phase, gegen die er nichts einzuwenden hatte. „Warum nicht?“, meinte er. „Ich bin gesund und habe
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