Julia Collection Band 25
angestrengt auf ihre Hände.
Ihm war klar, dass sie sich von ihm zurückzog. Sie wollte ihn nicht in ihr Privatleben lassen. Zu seinem Erstaunen störte und kränkte es ihn, wie ungern sie mit ihm offen über ihr Leben sprach. Warum hatte er bei ihr diesen unwiderstehlichen Drang, mehr zu erfahren? Mehr? Oder sogar alles, was es zu erfahren gab?
Das ist nur die Neugier des Arbeitgebers, versicherte er sich. Schließlich wäre sie seine Angestellte, wenn er die Agentur kaufte.
„Was meinst du damit, eine Adoption funktioniert nicht immer? Warst du nicht glücklich bei deinen Adoptiveltern?“
„Warum stellst du mir so viele Fragen?“
Ganz deutlich spürte Ricardo ihre Panik. „Vielleicht, weil ich mehr über dich wissen will.“ Sie verbarg etwas vor ihm. Etwas, das sie von einer selbstsicheren in eine verletzliche Frau verwandelte. Und sie war fest entschlossen, diese Verletzlichkeit auszusperren, sie zu leugnen und sich vor ihr zu schützen. Er hatte ein Gespür für solche Dinge und wusste, dass er sich nicht irrte. Also, was war es? Auf jeden Fall musste er es herausfinden. Aber wie sollte er ihre Schutzmauern überwinden?
Forschend sah er ihr ins Gesicht und bemerkte zufrieden, dass sie rot wurde.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet“, insistierte er.
„Nein, ich war nicht glücklich“, gab sie leise zu.
„Was ist mit deinen leiblichen Eltern?“ Ricardo sah sofort, dass die Frage eine dramatische Wirkung auf Carly hatte. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, und sie atmete hörbar ein.
„Meine Mutter war wahrscheinlich eine Drogensüchtige, die zusammen mit zwei anderen jungen Frauen bei einem Hausbrand ums Leben gekommen ist. Niemand wusste, wer mein Vater gewesen sein könnte. Ein Stadtstreicher hat mich hinter einem Krankenhaus zwischen den Müllcontainern gefunden. Ich war erst einige Wochen alt. Ich war zehn und in einer Pflegefamilie, als Fenellas Eltern beschlossen, eine Schwester für ihre Tochter zu adoptieren. Sie haben sich Sorgen gemacht, dass Fenella einsam sein könnte.“
Ungläubig runzelte Ricardo die Stirn. „Sie haben dich für ihre Tochter adoptiert?“
„Ja. Sie haben wohl gedacht, dass ich schneller stubenrein werde als ein junger Hund und in der Haltung nicht so teuer bin wie ein Pony“, sagte Carly gelassen. „Leider hat es nicht funktioniert. Fenella hat es gehasst, ihre Eltern und Spielsachen mit einer Schwester teilen zu müssen, die sie gar nicht haben wollte. Immer wieder hat sie verlangt, dass ihre Eltern mich zurückschicken. Vermutlich hätten sie das auch gern getan, aber dafür war es zu dem Zeitpunkt natürlich schon zu spät. Ich durfte nichts anfassen, was Fenella gehörte, und anfangs durfte ich nicht einmal im selben Zimmer wie sie essen. Dann sind wir beide aufs Internat gekommen. Dort habe ich Jules und Lucy kennengelernt. Irgendwie haben alle erfahren, wo ich … herkomme und dass ich nicht Fenellas richtige Schwester bin.“
„Du meinst, sie hat es herumerzählt?“, fragte Ricardo.
„Sie war ein Jahr älter als ich und hatte schon ihre Clique, bevor ich auf das Internat gegangen bin. Und sie war sehr beliebt – sie konnte richtig charmant sein, wenn sie es wollte. Ich wurde ziemlich schnell ausgeschlossen.“
„Schikaniert, meinst du?“
„Ich war eben anders, und ich habe nicht zu ihnen gepasst“, sprach Carly weiter, ohne seine Frage zu beantworten. „Zu meinem Glück sind mir Jules und Lucy zu Hilfe gekommen und meine Freundinnen geworden. Ohne die beiden …“
Ihr trauriger Blick weckte Ricardos Beschützerinstinkt und machte ihn wütend auf all jene, die Carly gequält hatten. „Was ist mit Fenella passiert?“
Doch Carly schüttelte den Kopf. Erschrocken wurde ihr klar, wie viel sie Ricardo schon von sich erzählt hatte.
Mehr würde sie ihm nicht verraten. Ricardo beobachtete, wie sie sich von ihm abwandte und sich wieder ganz auf ihren Laptop konzentrierte.
Als sie adoptiert worden war, hatte Carly wirklich geglaubt, dass ihre neuen Eltern und ihre neue Schwester sie lieben würden. Ohne jeden Vorbehalt hatte sie ihnen ihre eigene Liebe geschenkt. Zuerst verwirrte es sie, dass sie zurückgewiesen wurde. Dann beobachtete sie, wie ihre Adoptivmutter Fenella umarmte und verwöhnte, und sie begriff, dass es einen großen Unterschied zwischen Fenella und ihr gab. Fenella bekam die Liebe und Anerkennung ihrer Eltern. Ihr hingegen wurde beides verweigert.
Mit der Zeit versuchte sie, Fenella so ähnlich wie möglich zu
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