Julia Collection Band 27
zu holen. „Ich grüble seit dem Mord über das Motiv nach und habe irgendwie das Gefühl, dass es mit mir zu tun hat. Jason, ich weiß, dass du von Anfang an deine Zweifel bezüglich Dorian hattest. Warum?“
„Das haben wir doch alles schon durchgekaut“, warf Keith ein.
„Ja, aber offensichtlich haben wir etwas übersehen“, meinte Sebastian. „Doch was?“
„Aus seinen Computerdateien wissen wir, dass Dorian Eric erpresst hat“, erinnerte Jason sie. „Meredith hat das herausgefunden.“
„Ja, aber diese Dateien geben keinen Aufschluss über den Grund der Erpressung. Was hat Eric getan? Was hat Dorian herausgefunden? Womit hatte er ihn in der Hand? Was wissen wir denn eigentlich von Eric?“
„Er hat eine ganze Weile für ‚Wescott Oil‘ gearbeitet“, antwortete Sebastian. „Er lebte ziemlich zurückgezogen. Seine einzige Gesellschaft war eine Katze. Er wohnte allein in einem relativ kleinen Haus. Das kam mir manchmal komisch vor, denn er verdiente bei uns ein gutes Gehalt.“
„Folgen wir also dem Geld“, sagte Jason halb im Scherz, halb im Ernst.
Diese einfache Schlussfolgerung erschien allen fünf Männern auf einmal als das Wichtigste. Sie sahen sich an und nickten. Vor Monaten waren bei „Wescott Oil“ Gelder verschwunden. Sebastian, dem man vorgeworfen hatte, Eric ermordet und das Geld genommen zu haben – eine lächerliche Annahme, da ihm die Firma gehörte und er mehr Geld besaß, als er je würde ausgeben können –, war inzwischen entlastet worden, und man hatte die Anklage gegen ihn fallen lassen. Seitdem hatten sich alle auf den Mord an Eric konzentriert. Die fehlenden Gelder waren noch nicht aufgespürt worden.
Es könnte der Hinweis sein, den sie gehofft hatten zu finden und den sie jetzt verfolgen würden.
1. KAPITEL
Andrea O’Rourke erfuhr am ersten Juni, dass das Frauenhaus in diesem Jahr den Spendenerlös aus dem Wohltätigkeitsball des „Texas Cattleman’s Club“ erhalten würde. Die anderen ehrenamtlichen Helfer im Zentrum waren überglücklich und begannen sofort zu überlegen, wofür man das Geld am besten verwenden könnte.
Doch obwohl Andrea sich natürlich freute, dass das „New Hope Center“ jetzt vermutlich ausgebaut werden konnte, litt sie innerlich. Die Einwohner von Royal, Texas, wussten, dass sie die ehrenamtliche Helferin war, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit des Zentrums kümmerte, und je länger Andrea darüber nachdachte, desto misstrauischer wurde sie, dass Keith Owens, langjähriges Mitglied des „Texas Cattleman’s Clubs“ und der einzige Einwohner von Royal, dem Andrea stets versuchte auszuweichen, hinter dieser guten Tat steckte, die die anderen Frauen im Raum ganz trunken vor Glück machte.
Ich werde zum Wohltätigkeitsball des Clubs gehen müssen! Ich werde die Spende dankend entgegennehmen und auch noch ein paar Worte über das Zentrum sagen müssen. Nun, das habe ich schon öfter auf anderen Veranstaltungen getan, aber nicht, wenn Keith Owens dabei war und zweifellos überheblich vor sich hingrinsen wird, während ich auf der Bühne stehe!
Oh du meine Güte! Was ist, wenn er derjenige ist, der den Scheck überreicht?
Nein! Ich mache das nicht! Ich kann das nicht!
Doch natürlich konnte sie es, und sie würde dorthin gehen, unabhängig davon, wie schmerzlich es für sie werden würde. Als sie sich im Raum umsah, in dem all die großzügigen Frauen saßen, die ihre Zeit und Energie für das „New Hope Center“ opferten, war Andrea sich bewusst, dass keine von ihnen sie wirklich kannte. Sie dachten, sie täten es, und sie förderte diesen Eindruck, denn ihre Privatsphäre war wichtig für den ruhigen Lebensstil, den sie gewählt hatte. Seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren lebte sie allein und relativ zurückgezogen. Diejenigen Freunde, mit denen sie noch Kontakt hatte, wurden von Andrea sehr geschätzt, und meistens genossen sie die gleiche Art von Freizeit wie sie selbst – vor allem nette Abendessen im kleinen Kreis mit anregenden Unterhaltungen über Literatur, Musik, Mode und Hobbys.
Keith Owens gehörte nicht zu diesem Kreis und würde es auch nie. Andrea hatte auch noch nie einen Fuß in den „Texas Cattleman’s Club“ gesetzt. Als sie sich jetzt vorstellte, dass sie genau das am Abend des Balles tun musste, erschauderte sie. Diesen Gedanken konnte sie jedoch den anderen nicht mitteilen, und warum sollte sie auch? Gingen die intimsten Details ihres Lebens – sei es aus der Vergangenheit oder Gegenwart
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