Julia Collection Band 27
doch keine tödliche Krankheit.“
„Du denkst, ich bin nur darauf aus, dein Mitleid zu erheischen?“
„Genau. Aber da bist du an der falschen Adresse.“
„Ich hätte mir nie träumen lassen, dass du so kalt sein könntest.“
„Wenn du eine realistische Einschätzung für Gefühlskälte hältst, dann kann ich nichts dagegen tun.“
„Zu deinen Schülern bist du nicht so abweisend.“ Keith stützte die Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich vor, um ihr in die Augen zu sehen. „Es ist unglaublich, wie du mit diesen Kindern umgehst, und es ist ganz offensichtlich, dass sie dich vergöttern. Du liebst sie, oder? Du investierst all deine Gefühle in diese Kinder, Tag für Tag, Monat für Monat, weil es sicher ist. Es besteht keine Gefahr, Kinder zu lieben, nicht wahr? Im Gegensatz zu all dem, was passieren kann, wenn man einen Erwachsenen liebt.“
Andrea wich seinem selbstgefälligen Blick nicht aus. In gewisser Weise amüsierte es sie, dass er tatsächlich glaubte, sie so einfach durchschauen zu können, aber es war natürlich ein Fünkchen Wahrheit in seiner Analyse. Der Sicherheitsfaktor, den er erwähnt hatte, war nicht ganz von der Hand zu weisen, aber auch nicht ganz korrekt. Sollte sie ihn darüber aufklären?
„Wenn du erwartest, dass ich mit dir über meine Zuneigung zu kleinen Kindern debattiere, dann irrst du dich.“
„Dann ist wohl alles, was ich gesagt habe, richtig.“
Andrea zuckte mit den Schultern. „Wenn du es gern glauben möchtest. Ich schulde dir nichts, Keith, schon gar keine Erklärung, warum ich mich so verhalte, wie ich es tue. Die Wahrheit ist, dass ich niemandem etwas schulde, und das gefällt mir.“
Keith betrachtete sie prüfend. „Das heißt, du bist niemals einsam?“
„Sind wir wieder bei dem Thema? Was willst du bezwecken, Keith?“
Er lehnte sich zurück und betrachtete sie ernst. „Ich habe es dir schon erklärt. Ich möchte, dass wir wieder Freunde werden.“
Plötzlich wurde sie wütend. „Freunde, die sich küssen?“, fragte sie empört. „Wir hätten vielleicht eine Chance haben können, wenn du dich am Abend des Balls nicht so unmöglich benommen hättest. Hast du gedacht, ich würde dir in die Arme fallen wie eine liebeshungrige …“
„Es war nur ein Kuss, Andrea. Und so sehr hat er dir doch auch nicht missfallen, oder?“
„Es war ein Schock, der sich hoffentlich nie wiederholt.“ Sie stieß ihren Stuhl zurück, stand auf und begann, das Geschirr abzuräumen.
Keith erhob sich, um ihr zu helfen, und während Andreas Verstand darauf hoffte, dass er sich verabschiedete, schien ihr Körper andere Vorstellungen zu haben. Sie wollte diese Gefühle nicht, hasste das Kribbeln im Bauch, das von einem Mann verursacht wurde, mit dem sie vom Verstand her nichts zu tun haben wollte.
Das Ganze verwirrte sie so sehr, dass sie nicht wusste, was sie als Nächstes tun sollte. Warum ging Keith nicht einfach? Er hatte sein Essen bekommen und gesagt, was er hatte sagen wollen. Sollte sie ihn einfach bitten zu gehen?
„Warum bist du nicht in dem Haus geblieben, in dem du während deiner Ehe gewohnt hast?“, fragte er auf einmal unvermittelt.
Andrea spannte sich an. „Ich wollte das nicht“, erklärte sie steif.
„Das ist keine Antwort. Dass du das Haus verlassen hast und in dieses gezogen bist, bringt mich zu der Vermutung, dass du Jerry O’Rourke nicht geliebt hast.“
Sie schnappte laut nach Luft und wirbelte herum. „Natürlich habe ich Jerry geliebt! Was gibt dir überhaupt das Recht, dich über meine Ehe zu äußern? Jerry und ich haben eine gute Ehe geführt, und ich war glücklich. Ich werde nie darüber hinwegkommen, dass ich ihn verloren habe.“
„Wenn das wahr ist, dann entschuldige ich mich. Es klingt nur für mich mehr nach einem Märchen als nach der Wahrheit.“
„Warum?“, fragte sie wütend. „Weil deine Ehe so ein Reinfall war?“
„Vielleicht“, erwiderte er nachdenklich. „Doch da stellt sich eine Frage, oder? Bin ich engstirnig genug, um deine glückliche Ehe infrage zu stellen, nur weil meine nicht glücklich war?“
„Und wie könnte der große Keith Owens jemals eine menschliche Schwäche wie Engherzigkeit eingestehen?“
„Na ja, der Gedanke tut schon etwas weh“, meinte er grinsend.
„Du bist unmöglich.“
„Das habe ich schon öfter gehört, also könntest du recht haben.“
Andrea schloss den Geschirrspüler. „Du bist der einzige Mann, den ich kenne, der auch noch auf seine Fehler stolz ist.“
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