Julia Collection Band 28
fertige Produkt zu sehen.“
Das fertige Produkt oder das Modell? Sullivan wurde wütend, weil Anthony gar nicht aufhörte, die Zeichnung von Lissas Körper zu betrachten. Hey, das reicht jetzt, alter Kerl! Wenn er nicht schnellstens von hier verschwand, sagte er bestimmt noch etwas sehr Dummes.
„Ich muss im Büro noch ein paar Anrufe erledigen“, sagte er daher, drückte Lissa Barneys Leine in die Hand und ging weg.
Erst als er schon fort war, fiel ihm ein, dass er Claire gar nicht gelobt hatte. Er war einfach zu betört gewesen von der Zeichnung. Claire war es gelungen, genau jene Ausstrahlung einzufangen, die ihn von Anfang an an Lissa fasziniert hatte: unschuldig und sinnlich zugleich.
Lissa blickte Sullivan nach. Als sie sich wieder an Anthony und Claire wandte, ertappte sie die beiden dabei, wie sie einander sehr vertraulich ansahen. Zwischen den zwei schien mehr als bloße Freundschaft zu sein, und das machte Lissa neugierig. „Wie lange kennen Sie und Anthony sich eigentlich schon?“
„Wir haben uns vor fast zwanzig Jahren kennengelernt, haben uns aber nur ab und zu gesehen.“ Claire lächelte Anthony zu. „Zwischen uns gab es eine … Wie würdest du es nennen?“
„Anziehung“, sagte er. „Meinst du nicht auch?“
„So könnte man es nennen“, bestätigte Claire. „Wir haben uns bei der Hochzeit eines gemeinsamen Freundes kennengelernt, und Anthony hat mich einmal zum Essen ausgeführt. Leider musste ich am nächsten Tag nach New York auf die Kunstakademie. Als ich zurückkam, war er verheiratet.“
„Wir haben immer den falschen Zeitpunkt erwischt“, fuhr Anthony fort. „Wir waren nie zur selben Zeit Single. Übrigens, wie geht es Derek? Ich habe gehört, er habe bei einem Geschäft in Chicago ein Vermögen verdient.“
„Tja, was soll ich sagen? Derek musste beruflich immer viel reisen. Bei einer dieser Reisen hat er ein neues Zuhause gefunden. Die Scheidung wird nächste Woche rechtskräftig.“
„Tut mir leid zu hören.“ Anthony wandte sich an Lissa. „Ich muss wieder los.“
„Ich sage meinem Dad, dass du hier warst.“
Anthony nickte, holte eine Visitenkarte aus der Tasche und reichte sie Claire. „Hier ist meine Telefonnummer. Wir können uns ja mal treffen und über alte Zeiten plaudern.“
Wem will er denn jetzt etwas vormachen?, überlegte Lissa. Die Situation lag doch offen auf der Hand. Anthony hatte soeben herausgefunden, dass er und Claire zum ersten Mal gleichzeitig Single waren. Und sie fühlten sich zueinander hingezogen, seit Jahren schon. Also, warum bat er sie nicht ausdrücklich um ein Rendezvous, sondern faselte was von alten Zeiten? Hätte es Lissa denn gestört, wenn er Claire vor ihren Augen zum Essen eingeladen hätte? Nein. Die beiden passten sehr gut zueinander. Außerdem hatte sie keinerlei Lust, noch einmal mit Anthony auszugehen, auch wenn es damals ein netter Abend war. Ihre Unlust resultierte nicht nur daraus, dass sie – möglicherweise – schwanger war. Sie rührte auch daher, dass Anthony eben nicht Sullivan war.
12. KAPITEL
Am nächsten Nachmittag zog Lissa sich nach dem Besuch beim Arzt sofort in ihr Zimmer zurück. Es hatte sich herausgestellt, dass der Schwangerschaftstest aus der Apotheke wesentlich zuverlässiger war als die Kondome, die sie und Sullivan benützt hatten. Sie bekam ein Kind. Es gab keine Zweifel.
Zum Glück besuchten ihre Eltern heute Onkel Pete und hatten nicht mitbekommen, dass sie beim Gynäkologen gewesen war. Sie stellten keine Fragen nach ihrer Gesundheit und danach, wieso sie trotz ihrer legendären Arbeitswut den Unternehmensberater im Büro allein zurückgelassen hatte.
Lissa sank voll bekleidet aufs Bett und legte die Hände auf den Leib, der bald anschwellen würde. Dann betrachtete sie das Telefon und überlegte, wen sie anrufen sollte.
Sie wollte mit jemandem reden. Ihre Mom oder ihr Dad kamen nicht infrage, auch Eileen nicht. Schließlich hatte die den sittsamen Weg genommen und war erst nach der Hochzeit schwanger geworden.
Natürlich würde sie es ihrer Familie sagen müssen, aber noch nicht jetzt, nicht heute, und wahrscheinlich auch nicht in einer Woche. Sie musste erst mal selbst damit fertig werden.
Plötzlich fiel ihr doch jemand ein, der sich für ihr Problem interessieren könnte, aber ausreichend Abstand zu ihr besaß, um sie zu tadeln oder irgendwas zu raten. Ihr leiblicher Vater. Sollte sie Jared anrufen?
Entschlossen holte sie seine Visitenkarte aus der Schulbade. Er hatte
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