Julia Collection Band 28
konnte sie auch. Zumindest wollte sie es versuchen. „Hört sich gut an.“
„In ungefähr zwei Tagen werde ich hier fertig sein. Sagen wir, ich fahre am Freitagvormittag los.“
Er spielte mit seinem Kugelschreiber und blickte zu Lissa hoch. Sah er ihr an, wie enttäuscht und verletzt sie war? Sie rang sich ein Lächeln ab, weil sie nicht zu sprechen wagte.
„Es macht keinen Sinn“, fuhr er fort, „dir das Honorar für eine Beratung vor Ort zu berechnen, wenn ich das billiger von meinem Büro aus machen kann.“
Sie sollte ihm dankbar sein, war es aber nicht. Sein Fortgang war finanziell gesehen gut für den Betrieb. Und er brach ihr das Herz.
„Es freut mich, dass du auf unseren Vorteil achtest“, erwiderte sie möglichst nonchalant. Da sie jedoch noch nie eine gute Schauspielerin gewesen war, ging sie ans Fenster. Bisher hatte ihr der Anblick der Weinberge stets zu innerem Frieden verholfen. Würde das auch der Fall sein, wenn Sullivan aus ihrem Leben verschwunden war? Wahrscheinlich würde dann nichts mehr sein wie früher.
„Übrigens“, sagte Sullivan, „Claire Windsor hat angerufen, während du beim Tierarzt warst. Das ist die Künstlerin, die die Zeichnung anfertigen soll. Ich habe zwar einen Termin mit ihr gemacht, möchte ihn aber noch mit dir abstimmen.“
Lissa wandte dem Mann, den sie liebte, den Rücken zu und starrte ins Leere. „Ich bin mit allem einverstanden.“
„Willst du nicht mehr über sie erfahren und dir vielleicht ihre Internet-Seite oder eine Probearbeit ansehen?“
„Unnötig.“ Sie drehte sich um, lehnte sich ans Fensterbrett und verschränkte die Arme. „Du hast dich bereits über sie informiert. Ich vertraue dir.“
Nun beschränkten sie sich also wieder aufs Berufliche. Das gefiel Lissa nicht, doch sie wollte stark bleiben und nicht die Beherrschung verlieren.
„Claire könnte morgen Vormittag herkommen“, sagte er. „Sie wäre sonst erst wieder Ende April oder Anfang Mai frei.“
„Dann lieber morgen.“
„Sehe ich auch so. Je schneller das Etikett fertig wird, desto besser ist es.“
„Um wie viel Uhr kommt Claire?“, fragte sie.
„Ganz zeitig, sofern ich den Termin bestätige“, entgegnete er und sah sie an, als wollte er ihre Gedanken und Gefühle erraten.
Doch sie dachte nicht daran, ihm auch nur einen winzigen Anhaltspunkt zu bieten. „Dann ruf sie an, und bestätige den Termin, Sullivan. Ich möchte auch, dass das Etikett fertig wird, damit der Wein abgefüllt werden kann.“
„Sehr gut. Ich schicke ihr eine E-Mail mitsamt Wegbeschreibung.“
Sie arbeiteten noch eine Weile und sprachen über Sachfragen. Doch die Spannung, die zwischen ihnen herrschte, konnten sie beide nur schlecht vertuschen. Zumindest Lissa konnte es nicht.
Vielleicht lag es auch daran, dass sie immer wieder an den Schwangerschaftstest dachte, den sie im Handschuhfach ihres Wagens eingeschlossen hatte. Sobald Sullivan zum Gästehaus ging, wollte sie den Test holen und ihre Ängste vertreiben. Danach musste sie sich an ein Leben ohne Sullivan gewöhnen.
Sie warf einen Blick auf die Wanduhr. Sieben nach fünf. Bald würde ihre Mutter wegen des Abendessens anrufen.
„Isst du heute mit uns?“, fragte sie, obwohl sie schon ahnte, dass er es nicht tun würde. Als Klientin und Gastgeberin musste sie allerdings fragen und so tun, als wäre nichts geschehen.
„Nein, das schaffe ich nicht. Ich habe deine Mutter schon informiert. Ich muss noch einiges in der Stadt erledigen, und es ist einfacher, wenn ich mir bei der Gelegenheit etwas zu essen besorge.“
Sie nickte. Plötzlich begriff sie, dass Sullivan zwar noch hier war, sie jedoch schon verlassen hatte. Ihr Beisammensein gestern, das für sie ganz besonders gewesen war, hatte er als Abschied betrachtet. Doch sie durfte sich nicht beklagen. Sie hatte bekommen, was sie sich gewünscht hatte – eine kurze Affäre, mehr nicht.
Leider bedeutete ihr diese Affäre nun alles.
„Ich finde, wir können morgen weitermachen“, sagte er, stand auf und strecke sich.
Sie beobachtete, wie sich seine Muskeln anspannten. Sie würde ihn nie wiedersehen, ihn nie mehr in den Armen halten, nie mehr leidenschaftlich von ihm geküsst werden. Und nie wieder diese unbeschreiblichen gemeinsamen Höhepunkte erleben.
Verzweifelt versuchte sie, den Schmerz zu ignorieren. „Ja, hören wir für heute auf.“
„Gut, dann bis morgen.“ Sullivan ging an die Tür, blieb jedoch stehen und blickte zu Lissa zurück. „Vielleicht könnten wir
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