Julia Collection Band 51
war. Er riet mir, das Kind abtreiben zu lassen. Kannst du das glauben? Später, als ich hörte, er sei in Vietnam getötet worden, musste ich nicht einmal mehr weinen. Meine Eltern schämten sich meiner und schickten mich fort. Ich durfte sie nicht einmal tadeln, denn ich hatte mich schließlich wie eine Närrin aufgeführt. Ich war meinem Herzen gefolgt und hatte einem Mann vertraut, der mich belog.“
„Du kannst dein Leben nicht mit meinem vergleichen, Mutter. Du warst damals erst siebzehn, konntest es gar nicht besser wissen.“
„Vielleicht hast du recht. Aber ich behielt dich, zog dich allein auf und gab mich mit wenig zufrieden. Um zu überleben, nahm ich zwei Jobs an.“
„Du verdienst höchstes Lob.“ Sophia küsste ihre Mutter liebevoll auf die Wange. Das war die reine Wahrheit. Trotz ihrer Fehler, war Jannette Sophia immer eine liebevolle Mutter gewesen.
Die tragische Geschichte ihrer Mutter verfehlte nie das Ziel, Sophias Mitleid zu erwecken. In ihrer Verliebtheit war Jannette als junges Mädchen einfach nicht fähig gewesen, Sophias Vater zu durchschauen. Sie kannte nur ihr Herz und musste eine furchtbare Enttäuschung hinnehmen.
Besonders traurig fand Sophia jedoch, dass ihre Mutter diesem Mann niemals verzeihen konnte. Sie hatte ihren Schmerz und ihre Wut nie ganz verwunden. Stattdessen ließ sie zu, dass der Groll in ihr weiterwuchs, bis sie schließlich an Bluthochdruck erkrankte.
Da Jannette nie Geld für sich selbst ausgab und die Bedürfnisse ihrer Tochter immer über ihre eigenen stellte, suchte sie erst einen Arzt auf, als ihre Kopfschmerzen unerträglich wurden.
Mit siebenunddreißig Jahren erlitt Jannette dann einen so gravierenden Schlaganfall, dass ihr linker Arm sowie ihre Beine gelähmt blieben.
„Bitte, Kind“, schluchzte Jannette leise. „Bitte lass dich nicht von Mike täuschen. Dafür hast du ihn zu gern. Ich sehe es dir an. Damals empfand ich für deinen Vater genauso.“
Kann das wahr sein? Sieht man mir meine Gefühle so leicht an? dachte Sophia.
„Psst.“ Sophia umarmte ihre Mutter und wiegte sie hin und her. „Es wird alles gut. Ich bin immer für dich da, so wie du immer für mich da warst. Und jetzt schlaf schön.“
Sobald Jannettes Atem ruhiger wurde, schlüpfte Sophia aus dem Bett ihrer Mutter. Ihr war, als hätte sie vor dem Haus ein Geräusch gehört.
Ein Motorrad im Leerlauf?
Neugierig ging Sophia in ihr Zimmer, nahm ihren Morgenmantel und eilte ans Wohnzimmerfenster. Vorsichtig hob sie den Vorhang.
Die Straße lag menschenleer im sanften Schein des Mondes vor ihr. Keine Autos. Keine Motorräder.
Rasch ließ sie den Vorhang wieder fallen, ging zur Haustür und trat auf die vordere Veranda. Eine leichte Brise wehte. Sophia zog den Mantel fester um sich und atmete tief den Duft der Zitronen ein, der die Luft erfüllte.
Grillen zirpten im Vorgarten. Insekten umkreisten die Straßenbeleuchtung. Entferntes Hundegebell drang zu ihr, während Shu-Shu ihr um die Beine strich. Sophia hob die Katze auf und schmiegte sie an ihre Brust.
Eine böse Erinnerung aus ihrer Kindheit erwachte und ließ eine tief sitzende Wunde wieder aufbrechen.
Sophia war erst neun Jahre alt und in der vierten Schulklasse, als das beliebteste Mädchen ihrer Klasse, Alice Anne Aubrey, alle Klassenkameradinnen zu einer Geburtstagsparty einlud.
Was für eine Freude und Aufregung! Ihre Mutter ging mit Sophia in ein Billigkaufhaus, um ein Geschenk für Alice Anne zu kaufen. Sophia wollte unbedingt Alice Annes Freundin sein und bestand auf einer Barbie Puppe, obwohl diese für das schmale Haushaltsbudget ihrer Mutter viel zu teuer war.
Sie verpackten die Puppe in buntes Papier, und Jannette färbte eines von Sophias alten Kleidern ein, damit es für die Party neu wirkte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Sophia eine Einladung in das Haus einer bekannten Familie erhalten, und sie war unglaublich nervös und bemüht, alles richtig zu machen.
Der große Tag kam. Jannette fuhr ihre Tochter zu Aubreys Villa in Windover Heights, der exklusivsten Wohngegend von Phoenix. Die Auffahrt war zu beiden Seiten mit farbigen Luftballons und Fähnchen geschmückt. Mit freudig klopfendem Herzen hüpfte Sophia den Plattenweg hinauf. Vielleicht würde Alice Anne heute nett zu ihr sein und aufhören, sie zu hänseln.
Sophia läutete. Umgeben von ihrem ständigen Gefolge, kam Alice Anne in einem prächtigen Partykleid aus Satin mit weißer und rosafarbener Spitze an die Tür.
„Was willst du denn
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