Julia Collection Band 51
würde.
Nur etwas hatte sich geändert: Jenny war jetzt da. Und bei dem Gedanken an das kleine weinende Wesen stellte sie die Dusche ab und zog sich umso schneller an.
Als sie eine halbe Stunde später auf Nicks Auffahrt auffuhr, stand er, Jenny im Arm, bereits auf der Veranda und erwartete sie. Sein sonst so gepflegtes Erscheinungsbild hatte erheblich gelitten. Er trug eine Jogging-Hose und ein mit Flecken übersätes T-Shirt, seine Augen waren rot gerändert, sein Haar wirr, und überhaupt sah er so elend aus, wie Jenny schrie. Rachels Herz floss über. Noch nie in ihrem Leben hatte sie zwei so erbarmenswürdige menschliche Wesen gesehen.
Nick kam ihr auf halbem Weg entgegen, mit dem schreienden Baby auf dem Arm. „Gott sei Dank! Bin ich froh, dass du hier bist!“
Jenny, tiefe Falten im hochroten Gesicht, streckte die kleinen Arme nach Rachel aus.
„Na komm her, Kleines.“ Rachel streichelte beruhigend über das kleine Köpfchen. „Was ist denn los, hm?“
„Sie merkt, dass sie bei einem Amateur in Pflege ist“, stöhnte Nick mit einem zerknirschten Lächeln, aber in seinen Augen lag tiefe Sorge.
Rachel empfand das gleiche Mitleid für Nick. „Wahrscheinlich vermisst sie einfach ihre Eltern.“
„Und wenn es doch etwas Ernstes ist? Vielleicht ist sie krank?“
Rachel fühlte Jennys Stirn. „Nein, Fieber scheint sie nicht zu haben. Aber vielleicht sollten wir sie trotzdem zu einem Kinderarzt bringen. Olivia aus der Rechtsabteilung ist eine Freundin von mir. Sie ist gerade schwanger. Sie wird bestimmt jemanden empfehlen können. Ich rufe sie an.“
„Danke, Rachel.“
Bei der Dankbarkeit, die aus Nicks Blick strahlte, drehte Rachel sich abrupt um. Sie musste eisern bleiben, auch wenn sie sich noch so sehr zu ihm hingezogen fühlte. Trotzdem war sie froh, dass es eine legitime Entschuldigung für sie gab, mit ihm zusammen zu sein. Mit der Zeit würde sie wohl lernen, sich unter Kontrolle zu halten.
Aber ihr wild klopfendes Herz schien da anderer Meinung zu sein.
„Hallo, ich bin Dr. Jackson.“
Der grauhaarige Kinderarzt schüttelte Nick mit einem freundlichen Lächeln die Hand. „Mr Delaney.“ Dann nickte er Rachel zu. „Mrs Delaney.“
„Wir sind nicht verheiratet“, protestierte Rachel viel zu heftig.
Der Doktor schloss die Tür zum Behandlungszimmer und studierte die Karteikarte. „Entschuldigung, in heutigen Zeiten sollte ich nicht so unbedacht voreilige Schlüsse ziehen.“ Er beugte sich zu Jenny, die auf Rachels Schoß saß. „Hallo, junge Dame. Du bist Jenny, nicht wahr?“
Jenny drehte das Gesicht an Rachels Schulter und wimmerte leise.
„Hm, wir sind also schüchtern.“ Dr. Jackson blickte zu Rachel. „Sind Sie die Mutter?“
Rachel wurde flammend rot. „Nein.“
Der Arzt drehte sich zu Nick. „Nun, aber Sie sind der Vater, nicht wahr?“
Nick wechselte unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. „Nein, auch nicht. Sie ist meine Nichte“, erklärte er schnell. „Mein Bruder und seine Frau sind tödlich verunglückt, und ich bin jetzt ihr Vormund. Das Problem ist nur, dass sie, seit sie bei mir ist, ununterbrochen schreit. Sie lässt mich nicht an sich heran. Ich kann sie nicht füttern, ich darf sie nicht auf den Arm nehmen, ich kann gar nichts machen, ohne dass sie brüllt. Die Einzige, die sie an sich heranlässt, ist Rachel.“
„Ich verstehe.“ Der Arzt sah zu Rachel. „Und Rachel ist …?“
Tja, wie sollte er seine Beziehung zu Rachel beschreiben? Das Einzige, was ihm einfiel, war die Bezeichnung, die ihn gestern Abend so gewurmt hatte. „Eine alte Freundin … eine sehr gute alte Freundin. Jenny und ich sind gerade erst nach Phoenix gezogen, und Rachel hat glücklicherweise geholfen, weil ich noch keine Zeit hatte, um ein Kindermädchen einzustellen.“
„Aha, ich verstehe.“ Der Arzt lächelte Rachel an. „Dann werde ich mir Jenny mal ansehen, damit wir feststellen können, ob gesundheitlich etwas nicht mit ihr stimmt.“
Rachel ging dem Arzt zur Hand und hielt Jenny, während der Arzt die Kleine untersuchte. Nick stand etwas abseits und kam sich völlig unnütz vor.
Endlich setzte der Doktor sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
„Und?“, fragte Nick besorgt.
„Nun, Jenny ist vollkommen gesund.“ Dr. Jackson sah Nick über den Rand seiner Brille hinweg an. „Man muss davon ausgehen, dass sie ihre Eltern vermisst und deshalb so schreit. Sie trauert.“ Er sah Nicks erstaunten Blick. „Oh ja“, bekräftigte er, „schon als
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