Julia Collection Band 55 (German Edition)
vorgekommen.
Am Fenster stehend, ließ sie ihren Blick über die niedrige Bergkette der Insel schweifen. Es war kurz vor Sonnenuntergang, und der Himmel leuchtete in malerischen Rottönen. Die Katze sprang von Cheris Arm auf die Spüle und schien von etwas am Himmel wie gebannt. Verwundert folgte Cheri dem Blick der Katze – und erstarrte.
Ein großes weißes Objekt schwebte in den Wolken, mal in die eine, dann in die andere Richtung. Cheri konnte sich nicht erinnern, jemals einen solchen Flugkörper gesehen zu haben. Auch war kein Antriebsgeräusch zu vernehmen, es herrschte völlige Stille.
Plötzlich änderte das Ding seine Richtung und steuerte direkt auf das Haus zu. Cheri stockte der Atem. Sie hatte nie gewusst, was sie von den Geschichten über UFOs halten sollte, aber als sie nun dieses große Objekt am Himmel sah, war sie bereit, alles zu glauben, was sie je darüber gehört hatte. Sie und Jake waren die einzigen Menschen auf der Insel. Sollten sie von dem UFO entführt werden, würde es niemand jemals erfahren.
„Jake!“, schrie sie laut auf und rannte in Panik aus dem Haus. „Jake!“
Keine Antwort.
Angstvoll lief sie einmal um das ganze Haus, aber als sie wieder an der Vorderfront ankam, wäre sie fast mit einer großen dunklen Kreatur zusammengestoßen. Sie schrie vor Entsetzen auf.
„Was ist geschehen?“
Cheri fühlte sich an den Schultern gepackt und schaute auf. Das Wesen sprach ja Englisch!
„Was ist denn los?“, fragte Jake und sah sich wachsam um. Er trug ein graues Sweatshirt mit einer Kapuze.
„Du bist das! Ich dachte … Ich hatte solche Angst, es wäre …“ Cheri musste über sich selbst lachen, doch im nächsten Augenblick wurde sie wieder ganz ernst. „Jake, ich habe eine fliegende Untertasse direkt über der Insel gesehen!“
„Wie bitte?“
„Eine fliegende Untertasse. Natürlich sieht sie nicht wie eine Untertasse aus. Sie ist rund und weiß, aber sie schwebte auf das Haus zu.“
Jake brach in Gelächter aus. Sie mochte zwar sein Lachen, aber nicht in einem solchen Moment.
„Es stimmt! Ich habe sie wirklich gesehen!“
„Das war nur ein Wetterballon“, klärte er sie auf. „Ich habe ihn gerade von der Klippe dort oben gestartet. Er trägt ein Messgerät, das alle wichtigen Wetterdaten übermittelt.“
„Ein Ballon? Aber er war so groß und hat sich so bewegt, wie man es von UFOs behauptet.“
„Ein Wetterballon ist groß. Und während er in die Atmosphäre aufsteigt, wird er vom Wind hin und her getrieben. Hier, schau mal.“
Er ging mit ihr hinters Haus und deutete auf einen Punkt im Himmel. Der Ballon wirkte aus dieser Entfernung schon wesentlich kleiner.
„Da fliegt er. Er steigt mit zehn Meilen pro Stunde in die Troposphäre auf. Bald wird er so hoch gestiegen sein, dass man ihn gar nicht mehr sehen kann. Ich muss jetzt nach den Empfangsgeräten sehen, ob sie schon Messergebnisse empfangen.“ Er blickte Cheri besorgt an. „Geht es dir wieder besser? Ich hätte dir wohl lieber Bescheid sagen sollen. Ich werde jeden Tag zwei Ballons starten, das gehört zu meinen Studien.“
„Es geht schon wieder“, behauptete sie, obwohl ihr noch etwas mulmig war. „Wieso läufst du eigentlich mit Kapuze herum? Ich habe dich im ersten Moment für einen Außerirdischen gehalten.“
„Auf den Klippen ist es sehr windig“, erklärte Jake. Dann fiel sein Blick auf ihre Kleidung. „Frierst du denn nicht?“
Sie war so in Panik gewesen, dass sie in ihrem T-Shirt nach draußen gelaufen war. Diesmal erinnerte sie Jakes Blick sehr wohl an den anderer Männern. Es mochte ja vielleicht ein typisch männliches Verhalten sein, aber für Jake war es ganz und gar untypisch. Cheri ertappte sich bei dem Gedanken, dass ihr seine Reaktion gefiel.
Doch dann wandte er seinen Blick ab, und der Zauber des Augenblicks war verschwunden. „Zieh lieber etwas Wärmeres an, bevor du dich erkältest“, empfahl er ihr, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging zum Haus, direkt zu seiner Schaltzentrale.
Obwohl seine bevormundende Art Cheri ärgerte, ging sie wortlos in die Küche zurück und zog ihr Sweatshirt über. Als sie ihn eine Stunde später zum Abendessen rief, hatte er sich vollständig umgezogen. Er trug nun eine Hose aus Tweed, ein Hemd und darüber einen burgunderroten Pullover.
Er nahm am Küchentisch Platz, während Cheri ihm das Brathuhn servierte. Als sie sich selbst setzte, sprang sofort ihre Katze auf den Tisch.
„Nein, Miezi.“ Cheri nahm die Katze
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