Julia Collection Band 61 (German Edition)
belogen“, antwortete er empört.
„Habe ich dich wirklich zu einem so kleinlichen Menschen erzogen? Schämen sollte ich mich.“ Jewel schlug ihn leicht auf den Oberarm. „Sie liebt dich, und du wirfst sie den Wölfen vor.“
„Merri hat genug Erfahrung mit den Paparazzi“, sagte er kalt. „Schließlich hat sie im Rampenlicht gestanden und kennt diese Meute. Sie kann sich selbst helfen. Außerdem ist sie ja schuld an der ganzen Sache.“
Jewel sah ihn ein paar Sekunden prüfend an. „Wenn du ihr nur einen Moment deiner kostbaren Zeit geschenkt hättest, statt dich wie ein verwundetes Tier zu verkriechen, dann hättest du die Hintergründe erfahren. Sie hat sich vor der Presse verstecken müssen, weil sie einem Freund helfen wollte. Aber als ihm der Boden unter den Füßen zu heiß wurde, hat dieser sogenannte Freund sie hintergangen und die Meute der Reporter auf sie gehetzt, um von sich abzulenken.“
„Hat sie dir das selbst gesagt?“
„Nicht alles“, antwortete Jewel. „Den Rest habe ich von den Reportern erfahren. Ich habe ihnen schöngetan und sie mit Kuchen bestochen.“
Das war typisch Jewel. Tyson musste unwillkürlich grinsen. Dann wurde er wieder ernst. Ja, es stimmte, Merri hatte sich sehr bemüht, alles zu lernen, was mit der Stiftung zusammenhing. Sie hatte die Sponsoren mit ihrem Können und ihrem Charme beeindruckt und hatte die Kinder der Nuevos-Dias-Ranch zum Lachen gebracht. Jeder liebte sie.
Und er liebte sie auch.
„Sie hätte mich nicht belügen dürfen.“ Immer noch konnte er ihr nicht verzeihen. „Nicht mich.“ Die Kränkung und den Verrat konnte er nicht verwinden. Er konnte ihr nicht vergeben.
„Tyson, wie kannst du nur so stur sein?“ Jewel schüttelte ratlos den Kopf. „Siehst du denn den Wald vor lauter Bäumen nicht? Du hast ihr sehr wehgetan, mein Junge. Und dein eitler Stolz wird dich noch unglücklich machen, vielleicht unglücklicher, als du jemals warst.“
Sie stemmte die Hände in die Seiten. „Ich kann nicht mit ansehen, wie du dir diese einmalige Chance auf echtes Glück verdirbst. Wenn du hier nur sitzen und vor Selbstmitleid schmollen willst, dann kann ich dir auch nicht helfen. Ich fahre jetzt nach Hause. Mein Garten wartet, und backen will ich auch noch.“
Sie drehte sich abrupt um und verließ das Büro.
Tyson sah ihr hinterher und rieb sich die Schläfen. Sein Kopf schmerzte. Was meinte sie damit, als sie ihm Sturheit und Selbstmitleid vorgeworfen hatte? Er war schließlich nicht schuld an der ganzen Sache. Er hatte nicht gelogen.
Er ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen und nahm plötzlich den Duft von Lavendel und Vanille wahr. Das war nicht Jewels Parfüm, sondern Merris. Tyson sah sich in seinem Büro um. Merri hatte ihm erzählt, dass sie während seiner Reise an seinem Schreibtisch gearbeitet hatte. Hatte sich ihr Duft so lange halten können? Das war unwahrscheinlich.
Wahrscheinlicher war schon, dass er allmählich den Verstand verlor und halluzinierte. Er würde Merri nie vergessen können. Was sollte nur aus ihm werden? Wie sollte er weiterleben?
Tyson strich gedankenverloren über die glatt polierten Kanten des Schreibtischs. Vielleicht hat Merri das Holz hier ebenfalls berührt, ging es ihm dabei durch den Kopf. Es schien ihm, als sei die Oberfläche noch warm.
Plötzlich fiel ihm der antike Spiegel auf, den ihm die merkwürdige alte Frau in New Orleans aufgedrängt hatte. Er lag mit der Rückseite nach oben noch immer dort, wo er ihn vor ein paar Wochen achtlos liegen gelassen hatte. Mit einem Mal fiel ihm ein, dass Merri behauptet hatte, sie hätte ihr Spiegelbild darin gesehen.
Sie musste sich geirrt haben, denn soweit er sich erinnerte, war nur normales Glas in dem prunkvollen Rahmen. Aber warum hätte Merri wegen einer solchen Belanglosigkeit lügen sollen?
Er nahm den Spiegel auf und ließ seine Fingerspitzen über den Schriftzug auf der Rückseite gleiten. Er überlegte, wie Merri damals ausgesehen hatte, als er sie das erste Mal in Stanville gesehen und sich gleich in sie verliebt hatte. Sie wirkte so unschuldig und süß. Gleichzeitig war da ein sonderbarer Ausdruck in ihren grünen Augen gewesen, den er nicht deuten konnte. Hatte sie Angst vor ihm gehabt?
Plötzlich fuhr er zusammen. Hatte er eben wirklich eine Stimme gehört, oder verlor er jetzt wirklich den Verstand?
Wenn die Zeit gekommen ist, wird sich das, was du wirklich suchst, im Glas spiegeln. Der Spiegel wird dir die Wahrheit zeigen.
Tyson
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