Julia Collection Band 61 (German Edition)
Angst, überlegte sie. Sie war doch stark und unabhängig. Wenn sie sich etwas fest vornahm, hatte sie es bisher noch immer erreicht.
Vielleicht hatte sie die ganze Sache falsch angepackt. Statt sich von ihm zurückzuziehen, sollte sie vielleicht häufiger mit ihm schlafen. Würde dann die sexuelle Anziehung nicht automatisch abnehmen, sodass sie keine Angst mehr davor haben musste, sich vollkommen in ihm zu verlieren?
Aber wie konnte sie Nick verständlich machen, dass sie ihre Meinung geändert hatte?
Sie trat aus der Dusche und hüllte sich in ein flauschiges Handtuch. Im Schlafzimmer starrte sie auf das riesige Bett und gähnte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie müde sie war. Kein Wunder, sie hatte einen anstrengenden Tag hinter sich.
Sie ließ sich auf das Bett fallen und schaffte es kaum noch, unter die Bettdecke zu kriechen.
Als der Morgen dämmerte, wachte Annie auf. Sie streckte sich vorsichtig und sah sich dann um. In den ersten Sekunden wusste sie nicht, wo sie sich befand, aber dann erinnerte sie sich.
Die Hochzeit. Der Flug. Das Haus in der luxuriösen Ferienanlage.
Nick.
Sie drehte sich um. Er lag neben ihr, hatte ihr das Gesicht zugewandt und atmete tief und gleichmäßig.
Das Herz wurde ihr schwer. Trotz seines zerzausten Haars und des leicht stoppeligen Kinns, sah er so gut aus, dass es sie fast schmerzte.
Allerdings hatte er die Stirn gerunzelt und auch die Schultern hochgezogen und wirkte keineswegs entspannt. Erlöste ihn noch nicht einmal der Schlaf von seinen quälenden Gedanken an Christina?
Oder hatte sie, Annie, Schuld, dass er so verkrampft war? Sie hatte sehr selbstsüchtig gehandelt, als sie ihn abgewiesen hatte. Was hatte er denn schon Schlimmes getan? Er hatte sie erregt und ihr die Entspannung verschafft, nach der sie sich sehnte, ohne eine Gegenleistung von ihr zu erwarten. Das war doch eher nobel.
Hatte sie sich denn nicht vorgenommen, ihn aus seiner Einsamkeit zu erlösen? Er hatte sich ihr gegenüber nur großzügig verhalten, und wie hatte sie es ihm gedankt? Indem sie sich kratzbürstig und abweisend verhalten hatte.
Ein neuer Tag begann, der erste Morgen, den sie als verheiratete Frau erlebte. An diesem Tag würde sich alles ändern.
Sie strich ihm zärtlich über das Gesicht und streichelte behutsam seine breiten, verspannten Schultern. Wie konnte sie ihm nur helfen, wieder lockerer zu werden?
Vorsichtig legte sie ihm eine Hand auf die Brust und lächelte, als sie seinen stetigen Herzschlag spürte. Nick wurde unruhig, wachte aber nicht auf, sondern drehte sich auf den Rücken. Annie rutschte etwas dichter an ihn heran. Sie sehnte sich nach der Wärme seines Körpers.
Da er die leichte Bettdecke zur Seite geschoben hatte, lag er in seiner ganzen männlichen Schönheit vor ihr. Bis auf die Boxershorts war er nackt. Annie konnte der Versuchung nicht widerstehen und folgte mit dem Zeigefinger der dünnen dunklen Haarlinie.
Als sie ihre Hand vorsichtig unter das Gummiband seiner Shorts schieben wollte, schlossen sich plötzlich Nicks Finger um ihr Handgelenk, und sie schrak zusammen.
„Lass das!“, stieß er leise hervor. „Treib es nicht zu weit, sonst kann ich für nichts garantieren.“
„Ach, weißt du … also, ich habe meine Meinung geändert. Wir sind schließlich verheiratet, und da sollten wir, ich meine, könnten wir doch vielleicht …“
Er sah sie ernst an. „Ich habe lange über das nachgedacht, was du gestern gesagt hast. Du hattest recht, Annie. Wir brauchen mehr Zeit. Es ist besser, wenn wir erst so etwas wie Freunde werden und uns kennenlernen. Erst dann sollten wir wieder miteinander schlafen. Dass wir uns sexuell gut verstehen, wissen wir. Aber passen auch unsere Persönlichkeiten zusammen? Das müssen wir erst einmal herausfinden.“
„Aber …“
„Vielleicht ist es besser, wenn ich im Gästezimmer schlafe, damit du das große Bett ganz für dich hast, bis wir … bereit sind, unser gemeinsames Leben mit allen Konsequenzen zu beginnen.“
„Nein, nein, das ist nicht nötig“, versicherte sie ihm hastig. Sie war enttäuscht wegen der Zurückweisung, gleichzeitig wusste sie, dass sein Vorschlag gut war. Sie sollten mehr übereinander erfahren. Das war auch ihr Wunsch gewesen. „Ich verspreche dir, mich in Zukunft auf meine Seite des Bettes zu beschränken. Es ist ja nun wirklich groß genug.“
„Gut.“ Nick setzte sich auf. „Hast du Hunger?“
Annie wagte es nicht, ihn anzublicken, frustriert und erregt, wie sie war.
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