Julia Collection Band 62
hast du mir eben selbst erzählt. Warum sollte ihre Tochter es tun?“
„Weil sich die Dinge dort geändert haben. Und weil es richtig ist. Notwendig. Das Richtige ist nicht immer das Einfache, Suzanne. In diesem Augenblick scheint mir das Richtige das Schwierigste in der Welt zu sein.“
„Dann beweise mir, dass es richtig ist! Beweise mir nicht, dass du mich ins Bett kriegen kannst!“
„Nein? Das würde ich aber unglaublich gerne beweisen.“
„Das hast du schon getan. Du kannst mich ins Bett kriegen, Stephen! Glaub es mir. Da besteht kein Zweifel. Ich …“ Sie nahm einmal tief Luft. „… schmelze dahin. Ich begehre dich. Ich wusste nicht, dass es so sein kann. Dass ich einen Mann so sehr wollen könnte. Treib es nicht so weit, dass ich dich dafür hasse. Nutz es nicht aus.“
„Das würde ich niemals tun.“
„Nein? Dann mach Platz!“, forderte sie ihn noch einmal auf. „Ich lege Alice jetzt hin. Dann gehe ich raus. Ich war den ganzen Tag in diesem Apartment mit einem Baby eingesperrt, das offensichtlich zu Aragovia gehört und nicht zu mir!“
Suzanne lief etwa eine Stunde lang durch die Stadt.
Die Straßen waren überfüllt, und es wurde bereits dunkel. Sie wanderte ziellos umher und fand sich plötzlich vor dem großen Park wieder, in den sie Alice vergangene Woche gebracht hatten, doch der Ort wirkte verlassen, kalt und unfreundlich zu dieser Tageszeit, und so kehrte sie um.
Als sie in ihrer Wohnung ankam, schlief Alice immer noch tief und fest, und Suzanne roch warmes Essen. Stephen hatte Pizza bestellt und dazu einen großen Salat gemacht.
Doch was ihre Aufmerksamkeit sofort fesselte, war der Tisch. Er war festlich gedeckt mit einer leicht vergilbten Damastdecke, Servietten und Serviettenringen, poliertem Silberbesteck, mit Gold eingefassten Tellern und Kerzenleuchtern.
„Was ist das?“, fragte sie.
„Eine Überraschung. Ich dachte, es würde dich interessieren. Ich habe die Kisten geöffnet, die meinen Urgroßeltern gehörten. Siehst du hier das Wappen der Serkin-Rimskys auf dem Porzellan und dem Besteck? Da sind auch noch Fotoalben und andere Dinge, aber das können wir uns nachher anschauen.“
„Das wäre schön.“
Er rückte einen Stuhl für sie zurecht, und sie setzte sich. Das Tischarrangement hatte sie geblendet. Die Teller waren wunderschön und dabei ganz schlicht: einfaches cremefarbenes Porzellan mit einem schmalen Goldrand und dem Wappen. Sie drehte einen Teller um und fand auf der Rückseite den Namen einer berühmten englischen Porzellanmanufaktur.
„Dieses Gedeck ist über hundert Jahre alt“, erklärte Stephen ihr.
„Und wir essen darauf Pizza?“
„Ich mag das.“ Er grinste, als er die Schachtel vom Italiener öffnete und ihr ein Stück auf einer silbernen Kuchenschaufel anbot. „Pizza, Madame la Princesse?“
„Nun, vielen Dank, Stephen, aber ich weiß, was du da tust! Oder zumindest, was du versuchst!“
Er schenkte Wasser in ein Kristallweinglas ein. „Das liegt daran, dass ich ja auch nicht gerade besonders subtil vorgehe.“
„Gäbe es eine Möglichkeit, hierbei etwas geschickter zu sein?“
„Mir fiel keine ein, deshalb habe ich es gar nicht erst versucht. Ja, ich möchte dir zeigen, was Alices Erbe ihr bieten kann.“
„Sie würde damit aufwachsen, von diesen Tellern zu essen.“
„Mit fünf, neun oder zwölf Jahren bedeutet, eine Prinzessin zu sein, kein Vollzeitjob.“
„Sie müsste doch dass korrekte Etikett für Staatsdinner lernen.“
„Ihre Vorfahren wären für sie nicht nur die endlose Namensserie in einem Stammbaum. Sie würden ihr etwas bedeuten. Da sind auch noch andere Sachen in den Kisten, Suzanne. Persönlichere Dinge. Prinzessin Elizabeths Brautkleid, eine silberne Babyrassel und ein Taufkleid. Eine Stickerei mit einigen schiefen Stichen, die Peter Christians Mutter als Kind angefertigt hat. Die Menschen in meiner Familie lebten und litten, lachten und lernten wie jeder andere auch.“
„Nachdem wir gegessen haben, können wir uns das Fotoalbum ansehen. Sind wir übrigens die Ersten seit 1917, die diese Teller benutzen?“
„Ich habe sie gespült, das schwöre ich.“ Er lächelte sie an.
„Das meinte ich nicht.“
„Ich weiß.“
Er hob sein Glas und prostete ihr zu. „Ja, wir sind die Ersten. Ich mag den Gedanken. So sollte es sein, oder?“
Suzanne bekam kaum einen Bissen hinunter, und sprechen konnte sie schon gar nicht. Stephen schien ihr Schweigen nicht zu stören. Er hatte sie entwaffnet, indem
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