Julia Collection Band 62
auch in den ersten Kämpfen zerstört. Die Revolution brach aus, bevor Prinzessin Elizabeth sich weit genug erholt hatte, um wieder zu reisen.“
„Und das Baby?“
„Es war ein kleines Mädchen. Sie starb bei der Geburt.“
„Oh, das muss Elizabeth das Herz gebrochen haben.“
„Sie hat die Fotografie des Kindes ihr ganzes Leben lang aufbewahrt. Meine Mutter hat sie jetzt. Sie hat übrigens nach dir gefragt, als ich vorgestern mit ihr telefoniert habe.“
„Ich möchte nicht, dass deine Mutter nach mir fragt. Was hast du ihr gesagt?“
„Dass es dir gut geht und dass du von Alices Fortschritten begeistert bist.“
„Ich schätze, daran kann ich nichts aussetzen. Erzähl weiter.“
„Als es Elizabeth wieder gut ging, sprachen sie und Peter Christian darüber, in den Westen zu fliehen, doch sie entschieden sich dagegen. Sie hatten das Gefühl, dass sie das Schicksal des Volkes von Aragovia teilen sollten. In diesen ersten Tagen gab es noch eine Menge Hoffnung.“
„Ich weiß fast gar nichts über all diese Geschehnisse.“
„Die Revolution brachte Russland und Aragovia aus dem Ersten Weltkrieg heraus. Der Kommunismus schien voller Versprechungen. Nahrung und Bildung und ein Gesundheitswesen für alle. Da sich meine Verwandten nicht gegen diese Ideen verschlossen und außerdem von den Bauern beschützt wurden, die sie kannten und die ihnen vertrauten, wurden sie nicht umgebracht so wie viele russische und ukrainische Adlige.“
„Dennoch kann es nicht einfach gewesen sein.“
„Du hast recht. Das war es zu keinem Zeitpunkt! Die Desillusionierung folgte bald. Allerdings hatten meine Urgroßeltern da schon keine Wahl mehr. Sie hielten das Schweizer Bankfach geheim, weil sie Angst hatten, dass die sowjetische Regierung sie enteignen würde. Ich glaube nicht, dass mein Onkel Alex etwas davon wusste, als er 1957 das Land verlassen hat. Elizabeth hat uns erst kurz vor ihrem Tod davon erzählt, als es Anzeichen gab, dass das Sowjetregime seine Macht verlor.“
„Aber warum ist der Schmuck jetzt hier? Ließen sich denn in Europa keine potenziellen Käufer finden? Und was ist mit den anderen Sachen? Deine Kisten, die wir noch nicht ausgepackt haben? Warum sind die hier?“
„Weil ich sie vor zehn Jahren mitgebracht habe, als ich hier meine medizinische Ausbildung gemacht habe. Damals hatte ich wie mein Onkel vor zu bleiben.“
„Was du jedoch nicht getan hast. Du bist zurückgegangen, sobald du deinen Abschluss hattest.“
Alice begann zu wimmern. Suzanne trank einen letzten Schluck Kaffee, stand dann auf und nahm die Kleine auf den Arm. Sie hielt sie gegen ihre Schulter und schaukelte hin und her, ohne über die Bewegung überhaupt nachdenken zu müssen. Alice beruhigte sich sofort.
„Ich konnte nicht bleiben“, entgegnete Stephen. „Jodie dachte, ich sei verrückt. Ich hatte ihr vorgeschlagen, mit mir zu gehen. Aragovia brauchte so dringend gute Ärzte. Doch sie hat das nicht mal in Betracht gezogen. Was schuldete sie diesem Land, hat sie mich gefragt. Und das hat am Ende unsere Freundschaft zerbrochen. Es zerstörte auch die Beziehung, die ich damals zu einer Frau hatte.“
„Weil du nicht hierbleiben konntest.“
„Ich wurde dort mehr gebraucht.“
„Aragovia besitzt dich.“
Stephen sprang vom Tisch auf, seine Bewegungen hektisch vor Ungeduld.
„Ja. Das ist das zweite Mal, dass du das sagst, und es stimmt. Ist das so schlimm, Suzanne? Dass ich mich meinem Erbe und meinem Land so stark verbunden fühle?“
Er ging zu ihr und legte ihr ein Tuch über die Schulter. „Pass auf dein hübsches Top auf.“
Suzanne spürte die kurze Berührung seiner Finger wie eine Liebkosung und hasste die Tatsache, dass er immer noch diese starke Wirkung auf sie ausübte. Auch die Geschichte, die er ihr gerade erzählt hatte. Gegen ihren Willen vergrößerte es ihr Verständnis für seine Situation.
Jetzt, wo sie sich nicht mehr so viele Gedanken um Alice machten, kam alles, was sie in ihren kurzen Flitterwochen für ihn empfunden hatte, wieder zurück. Und zwar intensiver als jemals zuvor. Es strömte wie ein elektrischer Stoß durch ihren Körper, um mit ihren anderen Gefühlen zu kämpfen und dabei immer zu gewinnen.
Sie riss sich zusammen. „Lenk nicht vom Thema ab!“
„Also schön. Ja, Aragovia besitzt mich, wenn du es so ausdrücken möchtest. Ist das falsch? Und wenn ja, warum?“
„Weil es dich skrupellos macht.“
Allerdings sah er gerade alles andere als skrupellos aus. Er hielt
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