Julia Exklusiv 0180
Herz gewachsen, und alle hatten in kleinen Gruppen in der Halle beisammengestanden und überlegt, wie sie dem Vater bei der Suche nach seiner Tochter am besten helfen könnten.
Jedoch hatte der Regisseur davon abgeraten, etwas auf eigene Faust zu unternehmen. „Offenbar hat Lord Ratcliffe eine Vermutung, wo sich seine Tochter befinden könnte. Warten wir also ab, bis er zurückkommt – mit Emily, wie wir alle hoffen. Falls seine Suche wider Erwarten erfolglos bleibt, werden wir ihm selbstverständlich unsere Hilfe anbieten.“
Anschließend hatte der Regisseur angeordnet, die Arbeit so lange zu unterbrechen, bis sich die Situation geklärt hätte.
Sichtlich besorgt um seine sehr blass aussehende und nervös wirkende Hauptdarstellerin, schlug er Lois vor, sich ein wenig hinzulegen.
„So wie ich Emily kenne, wird sie bestimmt bald wieder auftauchen“, versuchte er sie zu beruhigen und legte ihr unbeholfen die Hand auf die Schulter, als die Halle sich zu leeren begann.
„Ich bin völlig … ich meine, ich kann mich überhaupt nicht mehr konzentrieren“, flüsterte sie verzagt.
„Niemand kann das im Moment“, tröstete er sie. „An deiner Stelle würde ich erst einmal diesen bunten Kopfschmuck abnehmen.“ Lächelnd wies er auf die in ihr hochgestecktes Haar geflochtenen Federn und Bänder. „Sei ein braves Mädchen, geh auf dein Zimmer, und leg die Beine hoch, ja?“
Lois war über seine aufrichtige Besorgnis gerührt. „Vermutlich hast du recht“, sagte sie und machte sich gehorsam auf den Weg zu ihrem provisorisch eingerichteten Umkleideraum, der sich auf der Rückseite des Hauses im ehemaligen Dienstbotentrakt befand.
In dem gemütlichen Zimmer hatten früher die Butler ihre freien Stunden verbracht und sich die besten Weine und Brandys ihres Arbeitgebers schmecken lassen. Das hatte Rob ihr erzählt.
Da Peggy noch anderweitig beschäftigt und Lois beim Ausziehen ihres Kostüms auf deren Hilfe angewiesen war, hatte sie sich erst einmal vor den großen Toilettenspiegel gesetzt und langsam die Federn, Bänder und funkelnden Juwelen aus ihrem Haar gezupft. Dabei war sie dann von Nora unterbrochen worden.
„Und mit Emily ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte Lois jetzt die Haushälterin erneut, während sie sich die letzte Nadel aus dem Haar zog und dann die roten Locken schüttelte. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“
Nora nickte. Sie schloss die Tür hinter sich und ließ sich in einen Sessel sinken. „Das haben wir alle“, gestand sie mit einem tiefen Seufzer. „Dem armen Kind ist von der Mutter ja wirklich allerhand zugemutet worden.“
Lois bannte mit einem Band die Haare aus der Stirn und cremte sich das Gesicht ein. „Was genau ist eigentlich passiert? Ich meine, weshalb ist Emily überhaupt weggelaufen?“ Sie begann mit einem Wattebausch die wegen des grellen Scheinwerferlichts notwendige dicke Make-up-Schicht abzuwischen.
Nora zuckte die Schultern. „Ich kenne die Einzelheiten nicht. Aber Emily wird Ihnen bestimmt alles erzählen. Sie ist oben in ihrem Zimmer und würde gern mit Ihnen sprechen, falls Sie einen Moment Zeit haben.“
„Was?“ Lois fuhr herum und blickte die Haushälterin betroffen an. „Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?“ Ungeduldig wischte sie sich die restliche Creme vom Gesicht, stand auf und eilte aus dem Zimmer.
„Oh Emily, du hast uns allen einen riesigen Schrecken eingejagt“, sagte sie, als sie wenige Augenblicke später das Zimmer des Teenagers betrat. „Bist du wirklich in Ordnung? Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht!“
Emily saß zusammengekauert auf dem Bettrand. „Tut … mir … leid …“, schluchzte sie. „Ich bin an allem schuld … Ich ganz allein!“, brach es aus ihr heraus, bevor sie jäh aufsprang und sich Lois in die Arme warf.
Diese drückte das schlaksige junge Mädchen fest an sich und tätschelte ihm beruhigend den Rücken, bis der Tränenstrom allmählich versiegte.
„Ist ja schon gut, mein Kind“, flüsterte sie und führte Emily zurück zum Bett und setzte sich neben sie. „Du bist heil und gesund zurück. Es besteht also kein Grund zum Weinen.“
„Aber Sie wissen ja nicht, was … ich getan habe“, stieß Emily hervor und blickte sich suchend nach etwas um, womit sie die Tränen trocknen konnte. „Es ist alles mein Fehler.“
„Ich schlage vor, du erzählst mir alles der Reihe nach“, schlug Lois vor. Sie holte vom Toilettentisch einen Karton mit Papiertüchern und hielt ihn Emily
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