Julia Exklusiv 0180
einer flüchtigen erotischen Affäre gelegen wäre – ohne die Komplikationen, die tiefere Gefühle mit sich brachten? Nein, sie ertrug das alles nicht. Das war das Ende der Beziehung zu Yorke. Sie wusste es jetzt.
Sie grübelte noch immer über die demütigenden und beschämenden Erlebnisse der Nacht, als die Dämmerung den Himmel grau färbte. Das Gewitter hatte sich verzogen. Sabina tadelte sich, weil sie sich Yorke förmlich an den Hals geworfen hatte. Und sie wollte ihn immer noch – und zwar nicht nur als Liebhaber. Yorke war erfahren genug, um das zu merken. Er hätte sicher nichts gegen eine oberflächliche Affäre – aber für sie wäre eine Beziehung zu ihm niemals oberflächlich. Nie hätte sie gedacht, so leidenschaftlich empfinden zu können.
Der Sturm der Nacht hatte sich zwar gelegt, aber Sabinas Gefühle und Gedanken waren weiterhin in Aufruhr. Sie beschloss, endlich nach Hause zu fahren.
Kurz darauf verließ sie leise das Gästezimmer. Das ist das Ende, dachte sie immer wieder. Sie musste die Beziehung zu Yorke endgültig beenden.
Ohne weiter darüber nachzudenken, zog Sabina den Verlobungsring ab und legte ihn auf einen kleinen Tisch in der Diele. Als ein Krankenwagen mit laut heulender Sirene vor dem Haus vorbeifuhr, öffnete Sabina geräuschlos die Tür und verließ Yorkes Apartment.
Auf dem Heimweg versuchte sie, nicht daran zu denken, dass sie nun gewissermaßen Natalie den Ring gestohlen hatte, den Rod seinem Cousin gestohlen hatte …
Plötzlich kam Sabina ein weiterer beschämender Gedanke. Sie hatte sich in letzter Zeit so sehr nach Yorke gesehnt, dass ihr gestern offensichtlich jeder Vorwand recht gewesen war, um ihn aufzusuchen.
Yorke wurde doch sicher mit jeder Situation spielend fertig. Er hätte gewiss eine passende Erklärung gefunden, falls seine Mutter ihn unvermittelt auf den Vorfall im Theater angesprochen hätte. Es hatte also keine Notwendigkeit bestanden, Yorke zu warnen.
9. KAPITEL
Zu Hause ging Sabina sofort ins Bett und schlief einige Stunden lang. Um halb acht war sie allerdings schon wieder aufgestanden, hatte geduscht und sich angezogen. Ihre Eltern erwarteten sie fürs Wochenende, aber sie fühlte sich so elend, dass sie lieber allein bleiben wollte.
Unwillkürlich dachte sie wieder an Yorke, obwohl sie das lieber nicht getan hätte. Aber es war gut, dass sie die Komödie beendet hatte. Nun konnte Yorke den Ring seiner Großmutter zurückgeben. Mrs. Fairfax zu erklären, die Verlobung sei gelöst, wäre viel besser, als wenn er erklären müsste, dass Rod den Ring gestohlen hatte.
Yorkes Eltern würden dann sicher so taktvoll sein, die sogenannte Verlobung ihren, Sabinas, Eltern gegenüber nicht zu erwähnen.
Sabina machte sich nur eine Tasse Tee, denn Appetit verspürte sie gar keinen. Nach einigen Minuten, in denen ihr immer wieder dieselben Gedanken im Kopf herumgegangen waren, fühlte sie sich plötzlich im Apartment wie gefangen. Sie beschloss, einen kurzen Spaziergang zum Zeitungskiosk zu machen.
Auf dem Heimweg fühlte sie sich allerdings nicht besser. Vor ihrem Postkasten blieb sie stehen, obwohl sie eigentlich die Hoffnung aufgegeben hatte, eine weitere Karte von Natalie zu erhalten. Aber im Kasten lag Post mit einer brasilianischen Briefmarke darauf – und nicht nur eine Ansichtskarte, nein, ein Brief.
Das munterte Sabina ein bisschen auf. Rasch ging sie in die Wohnung und öffnete den Umschlag, froh darüber, wenigstens einige Minuten lang an etwas anderes denken zu können als an Yorke. Natalie schilderte ausführlich die Reiseabenteuer, die sie und Rod erlebten. Beim Lesen der vorletzten Seite bekam Sabina einen Schock. Dort stand nämlich etwas Unglaubliches …
Sabina blinzelte erstaunt und las die Zeilen noch ein weiteres Mal. Es stimmte, sie hatte richtig verstanden: Schon vor drei Wochen hatte Natalie ihr schriftlich gestattet, den verflixten Ring zurückzugeben! Sabina las weiter.
Sabina war erleichtert, dass Rod von sich aus gestanden hatte, den Ring gestohlen zu haben. Zugleich war sie wie vor den Kopf gestoßen, weil es schon drei Wochen her war, dass Yorke den Brief von Rod mitsamt Natalies Bestätigung erhalten hatte, sie, Sabina, dürfe den Ring aushändigen.
Sabina las Natalies Brief immer wieder und konnte nicht fassen, dass Yorke ihr in den vergangenen zwei Wochen kein Wort davon gesagt hatte, obwohl sie sich in dieser Zeit mehrmals getroffen hatten.
Warum hat er das gemacht? fragte sie sich. Yorke musste Natalies
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