Julia Exklusiv 0180
entschlossen, der kleinen Schwäche nicht nachzugeben.
Unerwartet setzte sich eine ältere rundliche Frau auf den leeren Stuhl neben sie. „Fühlen Sie sich nicht wohl, mein Kind?“, fragte sie und blickte sie aus dunklen Augen forschend an.
„Doch, doch, mir geht es gut“, sagte Lois und fühlte sich tatsächlich schon wieder besser. Vielleicht hatte sie nur etwas gegessen, das ihrem Magen nicht bekommen war. „Ich glaube, wir kennen uns noch nicht“, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
„Nein“, bestätigte die Frau. „Doch ich weiß natürlich, wer Sie sind, da mein verstorbener Mann einer ihrer größten Fans war“, erzählte sie unter fröhlichem Gelächter. „Ich heiße Nora, mein Kind. Nora Barker.“
„Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Nora. Gehören Sie zur Filmmannschaft?“
Die Frau brach in lautes Lachen aus. „Um Himmels willen, nein! Lord Ratcliffe hat mich aus dem Ruhestand zurückgeholt, damit ich den Haushalt hier in Schwung bringe“, erklärte sie. „Ich war früher sein Kindermädchen – und jetzt bin ich seine neue Haushälterin. Wenn das kein Aufstieg ist?“
Lois konnte nicht anders, als in Noras ansteckendes Gelächter mit einzustimmen. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie sich englisches Hauspersonal normalerweise verhielt, aber der trockene Humor dieser Frau gefiel ihr.
„Wie ich gehört habe, hat Lord Ratcliffe Sie aus dem roten Horrorzimmer befreit. Sie werden sich auf unserer Seite des Hauses bestimmt wohler fühlen“, versicherte die Haushälterin und musterte Lois noch einmal durchdringend, bevor sie langsam aufstand. „Falls ich irgendwas für Sie tun kann, was es auch immer sei, scheuen Sie sich nicht, es mir zu sagen, mein Kind.“
Lois lächelte. „Danke, Nora. Ich werde auf Ihr Angebot bestimmt noch zurückkommen.“ Sie fand die Haushälterin immer sympathischer und mochte ihre offene und herzliche Art.
Leute wie Nora findet man in der Welt des Films höchst selten, dachte Lois, während sie den Blick langsam über die an den drei langen Tischen sitzenden Menschen schweifen ließ. Zum Glück schien es diesmal keine Exzentriker oder Suchtkranke im Team zu geben, sondern es wurde nur mäßig Alkohol getrunken, wohl auch mit Rücksicht darauf, dass morgen alle früh raus mussten.
Besser, ich verschwinde unauffällig von hier, überlegte sie und sah verstohlen zu Rob, der sich angeregt mit seiner Nachbarin unterhielt, einer hübschen jungen Schauspielerin.
Lois beschloss, die günstige Gelegenheit zu nutzen. In der Hoffnung, aus der Küche unbemerkt entkommen zu sein, eilte sie den gepflasterten Korridor entlang zur Halle. Erleichtert darüber, dass sie Rob zumindest für heute entwischt war, suchte sie nach dem Lichtschalter und fuhr zusammen, als der Hausherr wie aus dem Nichts plötzlich neben ihr auftauchte.
„Meine Güte, hast du mich erschreckt“, stieß sie atemlos hervor, konnte jedoch in dem schummrigen Licht sein Gesicht nur schemenhaft erkennen. „Es war sehr nett von dir, mir ein neues Zimmer zu geben. Dafür bin ich dir wirklich dankbar.“
Rob schien nicht interessiert, mit ihr über den Quartierwechsel zu sprechen. „Nicht der Rede wert“, winkte er ab. „Aber ich finde es an der Zeit, dass wir beide uns über andere Dinge unterhalten.“
„Ja, nur fühle ich mich … ich bin hundemüde“, sagte sie nervös. „Vielleicht könnten wir morgen …“
„Lieber heute.“ Er lachte spöttisch. „Ich würde gern einiges klären. Beispielsweise, was mit Eloise passiert ist?“ Wieder lachte er leise.
„Vergiss sie!“, sagte Lois gereizt und spähte in der dunklen Halle verzweifelt nach einem Fluchtweg. „Sie hat seit meinem achtzehnten Geburtstag nicht mehr existiert. Streich sie für immer aus deinem Gedächtnis.“
„Das habe ich versucht, glaub mir! Aber aus einem unerfindlichen Grund spukt sie mir noch immer im Kopf herum“, murmelte er, und der sinnliche Klang seiner dunklen Stimme verursachte Lois ein angenehmes Prickeln im Bauch.
Obwohl die Halle riesig war, hatte Lois plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und ihr Mund war wie ausgetrocknet. Ihr Herz begann heftig zu klopfen, als Rob sie am Arm packte, und sie kämpfte gegen den Wunsch an, sich an ihn zu schmiegen.
„Geh weg!“, rief sie heiser. „Lass mich allein!“ Mit letzter Kraft riss sie sich von ihm los und rannte zur Treppe.
„Es hat keinen Zweck, vor mir davonzulaufen“, rief Rob ihr nach, als sie mit zittrigen Beinen die
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