Julia Exklusiv 0227
sanfter als sonst, wenn er mit seinem ältesten Sohn sprach.
Nikos wandte den Blick ab.
„Nikos“, wiederholte sein Vater und rührte sich nicht, bis er ihn wieder ansah. „Ich danke dir.“
„Ich lege keinen Wert auf seinen Dank!“ Nikos ging auf der Terrasse auf und ab, wo Mari saß und Alex beobachtete. Der Junge schwamm im flachen Wasser.
Mari hatte befürchtet, Nikos würde seinen Vater am Krankenhaus absetzen und sofort nach London fliegen, damit er diese ganzen Dinge endlich hinter sich lassen konnte.
Doch er war zurückgekommen. Hinkend. Gereizt. Verärgert. Aber er war hier. Mari atmete erleichtert auf.
„Ich weiß“, erwiderte sie leise. „Aber sprich nicht so laut. Alex hört dich sonst.“
Nikos sah sie finster an, hörte aber auf zu fluchen. Stattdessen beobachtete er seinen Bruder. In seinen Zügen spiegelte sich eine Zärtlichkeit wider, die Mari noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte.
„Er ist dir sehr ähnlich.“
„Mehr als du ahnst.“
Mari neigte den Kopf zur Seite und hoffte, dass Nikos weitersprechen würde.
„Ich war in derselben Situation.“ Mehr sagte er nicht.
„Nikos?“ Alex hüpfte im Wasser auf und ab. „Kommst du schwimmen?“
Nikos wollte schon den Kopf schütteln, hielt aber inne und sah auf die Uhr. „Nur ganz kurz. Ich muss mein Flugzeug erreichen.“
„Dein Flugzeug?“, fragte Mari.
„Cornwall. Brian. Meine Arbeit. Erinnerst du dich?“
„Ja, aber …“
„Ich werde nicht hier bleiben. Sie brauchen mich nicht.“
Mari war zwar anderer Meinung, glaubte aber nicht, Nikos überzeugen zu können. Sie sah ihn traurig an.
Nikos wich ihrem Blick aus. „Wollen wir zum Meer gehen?“, fragte er Alex.
Sein kleiner Bruder strahlte. „Ja!“, rief er und kletterte aus dem Pool.
Nikos ging mit Alex an den Strand. Mari kam nicht mit. Jemand musste im Haus bleiben, falls Stavros anrief. Oder Brian, dachte sie enttäuscht.
Sie blickte zum Strand hinunter. Nikos und Alex standen nebeneinander im Sand. Nikos sagte etwas, dann hob Alex den Kopf und antwortete. Gerade als Mari ins Haus gehen wollte, sah sie, wie Alex die Hand seines Bruders berührte und Nikos sie umfasste.
Es war seltsam, wie sehr er sich Alex verbunden fühlte.
Oder vielleicht auch nicht. Schließlich hatten sie denselben Vater. Nikos bedauerte diesen Umstand zwar, brachte es aber noch nicht fertig, sich aus dieser Bindung zu lösen. Nicht bevor er Alex einige Worte gesagt hatte, auf die er als Kind vergeblich gewartet hatte.
Am Meer fiel es ihm leichter. Schon als Kind hatte Nikos das Gefühl gehabt, der Ozean sei sein Zuhause. Er war leichter zu verstehen als die Menschen, mit denen Nikos zusammenlebte: seine liebevolle, fürsorgliche Mutter, die sich von einem Mann verletzen ließ, der ihre Liebe nicht verdiente, und sein unnachgiebiger, strenger Vater, der so viel verlangte und so wenig zurückgab. Nikos liebte seine Mutter, verachtete seinen Vater, verstand aber keinen von beiden.
Bisher war er immer allein ans Meer gegangen. Nein, einmal hätte er beinahe jemanden mitgenommen – Mari, an dem Tag, an dem sie den Ausflug nach Montauk gemacht hatten.
Alex’ Vertrauen machte es Nikos leichter, die Worte auszusprechen, die er sagen und die Alex hören musste, auch wenn es ihm nicht klar war.
Sie waren zusammen hinausgeschwommen. Nikos hielt Alex im Arm, während sie sich von den Wellen zurück an den Strand treiben ließen. „Alex, falls du jemals … falls du jemals … jemanden brauchen solltest …“, Nikos brachte es nicht fertig, „mich“ zu sagen, „kannst du mich jederzeit anrufen. Immer.“
Alex schien zu spüren, wie ernst es Nikos damit war. Sie sahen einander an, ausnahmsweise einmal auf gleicher Höhe. Als würde man in einen Spiegel sehen, dachte Nikos.
Alex schwieg eine Weile, und Nikos fragte sich, ob er die Worte überhaupt verstanden hatte oder ob er sich nicht so einsam und verlassen fühlte, wie er, Nikos, sich als Kind gefühlt hatte.
Doch dann lehnte Alex die Stirn gegen die seines großen Bruders und sagte: „Gut.“ Dann kicherte er und gab Nikos einen Nasenstüber.
Mari ging ihnen entgegen, als sie vom Strand zurückkamen.
Sie liefen um die Wette, aber Nikos hielt sich zurück, um Alex die Führung zu überlassen. Beide lachten und wirkten wie Vater und Sohn. Wenigstens verhalten sie sich wie Brüder, dachte Mari.
Und das war gut so.
Sie lief auf die beiden zu.
„Mari! Wir sind auf einer Welle geritten!“, rief Alex. Er stürzte auf sie zu
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