Julia Exklusiv 0227
brauchte nur an seine Mutter zu denken.
Er wollte Mari nicht so verletzen, wie Stavros Angelika verletzt hatte. Er wollte Mari nur den Schmerz ersparen.
Aber Nikos musste sich eingestehen, dass auch er sich Schmerz ersparen wollte.
„Ich muss“, sagte er ruhig und ignorierte Maris Gesichtsausdruck. „Ich habe schließlich einen Job in Cornwall. Dort gehöre ich hin. Ich bin nur wegen Alex hier geblieben, das weißt du. Aber ihm geht es gut. Das Baby ist da und Julietta gesund. In einigen Tagen wird Stavros entlassen. Mich braucht hier niemand mehr.“ Nikos war froh, dass Alex im Nebenzimmer spielte. Diesmal würde ihm sein kleiner Bruder wenigstens nicht widersprechen.
Ebenso wenig wie Mari.
Sie würde ihn gehen lassen. Es war die einzige Möglichkeit. Sie verdiente einen besseren Mann als ihn, und irgendwann würde sie es auch verstehen.
Und er?
Es wird alles gut. Es wird alles gut. Er würde es sich so lange einreden, bis es wahr wurde.
„Ich fliege morgen früh“, sagte er. „Es muss sein.“
Eine kluge Frau mit gesundem Menschenverstand hätte die Nacht nicht in Nikos Costanides’ Bett verbracht.
Mari war klug, verfügte über einen gesunden Menschenverstand und ging nicht zu Nikos. Aber als er zu ihr kam, brachte sie es nicht fertig, Nein zu sagen.
Alex war nach dem Abendessen eingeschlafen. Nikos nahm ihn schweigend auf den Arm und trug ihn mit der Selbstverständlichkeit eines Vaters in sein Zimmer.
Mari streifte dem Jungen die Schuhe ab und deckte ihn zu. Falls er später aufwachte, würde sie ihm den Pyjama anziehen. Aber sie bezweifelte es. Alex hatte einen anstrengenden Tag hinter sich. Mari gab ihm einen Kuss und ging in den Flur.
Nikos kniete sich neben das Bett und betrachtete seinen kleinen Bruder. Er strich Alex übers Haar und streichelte ihm die Wange. Dann küsste er Alex auf die Stirn, stand auf und folgte Mari hinaus.
Mari war klar, dass Nikos sich gerade von seinem Bruder verabschiedet hatte.
Und in diesem Augenblick verlor sie jede Hoffnung, dass er bleiben würde. Wenn er es nicht über sich brachte, Alex zu sagen, dass er abreisen würde, wenn er Alex nicht in die Augen sehen und sich von ihm verabschieden konnte, hatte er wirklich vor zu gehen.
Vielleicht wies sie ihn in dieser Nacht deshalb nicht zurück, weil es bedeutete, dass sie eine weitere Erinnerung an ihn hatte, die sie durch ein Leben voller Reue begleiten würde. Sie war nicht lange mit Nikos Costanides zusammen gewesen.
Mari wagte zu hoffen, dass auch Nikos diese Erinnerungen brauchte. Er sagte nichts, liebte sie aber so verzweifelt, dass sie es fühlte. Ihre erste gemeinsame Nacht war schon voller Leidenschaft gewesen, verblasste aber im Vergleich zu dieser.
Nikos liebkoste sie zärtlich, und seine Küsse waren fordernd. Seine Berührungen ließen Mari aufschreien und sich an ihn pressen. Auch sie hielt sich nicht zurück. Sie hatte nur diese eine Nacht, um Nikos beizubringen, was es bedeutete, ein Leben lang geliebt zu werden. Sie streichelte sein Gesicht, als wollte sie es neu erschaffen, prägte sich die Linien seiner Wangenknochen, des kräftigen Kinns und der markanten Nase ein. Sie betrachtete seinen Mund und zog mit der Fingerspitze die Konturen seiner Lippen nach. Mari fuhr ihm durchs Haar, küsste ihn auf die Brust, den flachen Bauch und ließ die Lippen dann weiter nach unten gleiten.
Nikos atmete heftig und zog Mari auf sich. „Genug“, flüsterte er, als sie schließlich miteinander verschmolzen.
Sie liebten sich die ganze Nacht, aber Mari konnte nicht genug bekommen.
Nikos schien es genauso zu gehen, denn er umarmte und liebkoste sie noch, als sie schließlich, eng aneinander geschmiegt, einschliefen.
Sie schlief noch, als er ging.
Es war nicht nötig, Mari zu wecken. Sie hatten die ganze Nacht lang voneinander Abschied genommen. Worte hätten nicht mehr ausdrücken können.
Es war besser so.
Besser so . Wie eine Beschwörungsformel sagte sich Nikos das immer wieder. Es musste so sein. Es war besser für Mari – und für ihn. Er tat das Richtige.
Als Nikos schließlich den Flughafen erreichte, konnte er die Abreise kaum erwarten. Er begriff nicht, warum er bis zu seinem Flug zwei Stunden warten musste. Er war reisefertig. Wenn er schon abreiste, dann sollte es schnell geschehen. Schnell, verdammt noch mal!
Nikos lief im Terminal auf und ab, sah aus dem Fenster und setzte sich. Aber gleich darauf stand er wieder auf, ärgerlich und verwirrt, und ging wieder zum Fenster
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