Julia Exklusiv 0227
„Nur ein Glas Mineralwasser, bitte.“
Als er aus dem Zimmer war, betrachtete sie sich in dem Handspiegel, der immer auf ihrem Nachttisch lag. Sie zuckte zusammen, als sie sich sah – das blasse, beinah weiße Gesicht, die verquollenen Augen und das Haar, das ihr in feuchten Strähnen auf die Schultern fiel. Ein Bild des Jammers, einfach schrecklich, dachte sie entsetzt.
Wenn sie jetzt Ryan zur Rede stellte, würde er vielleicht ausweichend antworten, weil sie ihm leidtat und er sie schonen wollte. Aber ich will kein Mitleid, sondern endlich wissen, woran ich bin, überlegte sie, während sie den Spiegel weglegte. Und sie wollte wieder gesund sein und um ihre Ehe kämpfen.
Hoffentlich zehrte die Angst, Ryan zu verlieren, nicht zu sehr an ihren Kräften. Sie wusste jetzt, was es bedeutete, krank zu sein vor Kummer und Sorgen.
Als Ryan mit dem Glas Wasser in der Hand zurückkam, bedankte Kate sich höflich. Und während sie es trank, war sie sich seines prüfenden Blicks sehr bewusst.
„Du warst vor einigen Wochen schon einmal krank“, sagte er unvermittelt. „Du solltest zum Arzt gehen.“
„Nein, es ist bestimmt nichts Ernstes“, erwiderte sie hastig. „Beim letzten Mal hatte ich nur eine Magenverstimmung.“
„Und dieses Mal?“
„Wahrscheinlich auch so etwas in der Art. Mir geht es schon wieder viel besser, eigentlich sogar richtig gut.“
Er lächelte irgendwie grimmig. „Du siehst aus wie ein Gespenst. Am besten schläfst du erst einmal.“
„Ja, du hast recht“, antwortete sie ruhig. „Willst du … noch arbeiten?“
„Ich muss.“ Es klang nicht so, als würde er es bedauern. „Aber ich bemühe mich, dich nicht zu wecken, wenn ich ins Bett gehe. Und wenn du dich wieder übergeben musst, ruf mich einfach.“ Er drehte sich um und ging aus dem Zimmer.
Sie wollte nicht allein sein, er sollte bei ihr bleiben. „Ryan …“, begann sie atemlos.
Sogleich blieb er am Treppenabsatz stehen und blickte Kate stirnrunzelnd an. „Ist noch etwas?“
Der Mut verließ sie. „Ich wollte … mich nur bedanken, dass du dich um mich gekümmert hast.“
Sein Lächeln wirkte leicht verzerrt. „Das haben wir uns doch bei der Trauung versprochen. ‚In guten wie in schlechten Zeiten …‘, erinnerst du dich?“
Sie schüttelte den Kopf und wollte lächeln, was aber gründlich misslang. „Ich glaube nicht, dass man sich auf dem Standesamt dieses Versprechen gibt.“
„Vielleicht sollte man es aber“, erwiderte er ruhig und ging die Treppe hinunter.
Kate machte es sich in den Kissen bequem und schloss die Augen. Noch nie hatte sie sich so einsam und verlassen gefühlt.
Wenn ich ganz mutig wäre und genügend Stolz hätte, würde ich es Ryan freistellen, sich scheiden zu lassen, überlegte sie. Aber sie war nicht so mutig, und Ryan war ihr wichtiger als ihr Stolz.
Sie hatte Angst und war zutiefst verunsichert. War es möglich, dass ihre Ehe nach so kurzer Zeit einfach zerbrach? Hat Ryan irgendwann aufgehört, mein Geliebter, mein Freund und mein Partner zu sein? fragte Kate sich. Hatte sie das alles zugelassen, ohne es überhaupt zu merken?
Eines war ihr klar, sie war nicht bereit, ihn einer anderen Frau zu überlassen. Sie war entschlossen, um ihn zu kämpfen.
Man muss den Feind kennen, um sich mit ihm auseinandersetzen zu können, sagte sie sich. Irgendwie musste sie herausfinden, wer ihre Rivalin war. Erst dann würde sie entscheiden, was zu tun war.
Den anonymen Brief hatte bestimmt Ryans Freundin geschickt. Etwas anderes konnte Kate sich nicht vorstellen. Und wenn die Frau zu so einem hinterhältigen Mittel griff, war sie sich vielleicht ihrer Sache gar nicht sicher. Wahrscheinlich war das der Punkt, wo man ansetzen konnte. Natürlich wartete die Frau auch gespannt auf ihre, Kates, Reaktion und rechnete sicher damit, dass sie wütete und tobte und Ryan mit der Scheidung drohte.
Ryans Beteuerung eben am Telefon, dass sie, Kate, keine Ahnung habe, war vermutlich sehr enttäuschend gewesen für seine Freundin. Sie musste sich jetzt fragen, ob Kate den Brief überhaupt bekommen hatte.
Und ich werde dafür sorgen, dass sie auch weiterhin im Ungewissen ist, nahm Kate sich rachedurstig vor. Den anonymen Brief zu schreiben war eigentlich ein ungeschickter Schachzug gewesen, denn dadurch war Kate überhaupt erst auf die veränderte Situation aufmerksam geworden. Und wenn die Frau will, dass ich handgreiflich werde, kann sie es haben, sobald ich sie gefunden habe, dachte Kate.
Sie drehte
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