Julia Exklusiv 0227
eingejagt. Ich bin nicht unsterblich. Deshalb möchte ich mehr Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern verbringen.“ Stavros blickte Mari an. „Verstehen Sie?“
„Mit Ihren Kindern?“, fragte Mari kühl.
Stavros presste die Lippen zusammen und verarbeitete diesen Treffer. Dann nickte er. „Mit meinen kleinen Kindern. Sie brauchen ihren Vater.“
„Und Nikos braucht Sie nicht?“
„Nikos ist erwachsen, auch wenn er sich wie ein verantwortungsloser Idiot verhält.“
Warum wohl? fragte sich Mari im Stillen, hörte Stavros aber weiter zu.
„Aber ich will mein Unternehmen behalten“, sagte er. „Ich habe es aufgebaut!“ In Stavros’ letzten Worten hatte viel Gefühl gelegen. „Ich habe die Firma aus dem Nichts geschaffen. Es hat fünfunddreißig Jahre gedauert. Das Unternehmen ist mein Lebenswerk, und ich werde nicht zulassen, dass es zugrunde gerichtet wird.“ Er sah Mari finster an. „Ich werde nicht zusehen, wie Nikos es ruiniert.“
„Glauben Sie, das würde er tun?“ Mari glaubte es nicht.
Stavros gab einen abfälligen Laut von sich. „Warum sollte er es nicht tun?“ Er nahm einen Ordner vom Schreibtisch und reichte ihn Mari. „Überzeugen Sie sich selbst.“
Mari nahm den Ordner. Er war mindestens drei Zentimeter dick und offenbar mit Zeitungsausschnitten gefüllt. Schlagzeilen wie griechischer Playboy verdreht Erbin den Kopf und Nick, der Herzensbrecher zeigt alles sprangen ihr ins Auge. Sie schlug den Ordner zu.
„Sehen Sie? Er weiß nichts und kümmert sich um nichts!“ Stavros sonnengebräuntes Gesicht war rot geworden. Er deutete mit dem Kugelschreiber auf Mari. „Und Sie sollen das in Ordnung bringen!“
Mari hatte Erfahrung darin, Kinder wieder ins seelische Gleichgewicht zu bringen. Aber einen erwachsenen Mann davon abzuhalten, skandalträchtige Schlagzeilen zu verursachen und das Familienunternehmen zu ruinieren, war etwas ganz anderes.
„Ich bin mir nicht sicher …“, begann sie.
„Aber ich mir!“ Stavros fuchtelte wieder mit dem Stift herum. „Sie werden ihm Respekt beibringen!“
Mari war drauf und dran, Stavros zu erklären, dass man sich Respekt verdienen müsse, war aber davon überzeugt, dass er es nicht hören wollte.
Stavros klopfte mit dem Kugelschreiber gereizt auf den Tisch. „Nikos ist klug und geschäftstüchtig. Er könnte Karriere machen, wenn er wollte. Aber erst muss er etwas über das Unternehmen lernen. Und er weigert sich! Er benimmt sich wie ein Esel. Und jetzt will er die Firma einfach so übernehmen.“ Stavros schnippte mit den Fingern. „‚Ich schaffe es‘, sagt er. ‚Vertrau mir‘, sagt er. ‚Du willst, dass ich die Firma leite? Dann tritt zurück und lass mich alles übernehmen‘, sagt er. Niemals! Ich habe mich auch hocharbeiten müssen!“
Stavros’ Augen funkelten wütend. Doch dann bekam er wieder diesen geistesabwesenden Gesichtsausdruck. Mari vermutete, dass er an die Zeit vor fünfunddreißig Jahren zurückdachte, als Costanides International nichts als ein Traum gewesen war. Beide schwiegen eine Weile.
Dann schien Stavros sich wieder gefasst zu haben und fuhr entschlossen fort: „Trotzdem will ich ihn nicht ausschließen, denn er ist mein Sohn. Aber“, fügte er ernst hinzu, „er ist nicht mehr mein einziger Sohn. Wenn er Costanides International übernehmen will, muss er lernen.“
Sich mir unterzuordnen, beendete Mari im Stillen den Satz.
„Ich kann Nikos nichts über Ihr Unternehmen beibringen, Mr Costanides.“
„Überlassen Sie das mir“, sagte Stavros nachdrücklich. „Lehren Sie ihn, mir zuzuhören und zu gehorchen!“
„Sie zu respektieren“, sagte Mari leise.
Stavros klopfte mit dem Stift auf die Schreibtischunterlage. „Genau.“ Er nickte Mari zu. „Sie können jetzt gehen.“
Er beendete Unterhaltungen ebenso unvermittelt wie sein Sohn. Mari stand auf und ging zur Tür.
„Miss Lewis?“
Sie drehte sich um.
Stavros zeigte wieder mit dem Kugelschreiber auf sie und sah sie eindringlich an. „Und keine Küsse mehr. Verstanden?“
Nikos drehte sich im Bett um, zog die Vorhänge zurück und sah Mari Lewis vom Haupthaus zurückkommen. Er fragte sich, wie er nur auf den Gedanken gekommen war, sie wäre eine Dame von „Debbies Begleitservice“. Offenbar hatte er zu viele Schmerztabletten genommen.
Mit ihrer Hochfrisur, der weißen Bluse und dem dunkelblauen Rock sah sie eher wie eine Bibliothekarin aus – oder wie eine Klosterschülerin.
Allerdings küsste sie nicht wie eine
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