Julia Exklusiv Band 0194
vor Wut. „Noch ein böses Wort über Catrina, und ich schlage dich grün und blau. Sag, was du willst, über mich, daran bin ich gewöhnt, aber lass meine Mutter aus dem Spiel.“ Drohend trat sie einen Schritt auf Charme zu.
„Ich weiß, dass ich nichts Unrechtes tue, und das allein zählt. Mit Tarquin habe ich die schönsten und interessantesten Stunden meines Lebens verbracht. Er ist kultiviert und liebenswürdig und einer der besten Schauspieler, die es in diesem Land gibt. Du kannst ihn nicht mit einem schmierigen Verführer aus einer drittklassigen Bühne vergleichen.“
„Du bist ja tatsächlich verliebt in diesen Mann“, rief Charme empört. „Und was machst du, wenn er Avendon verlässt? Heiraten wird er dich niemals. Du passt nicht in seine Welt. Er nimmt dich hier als Spielzeug, weil es ihm Spaß macht, auf der Bühne und privat angehimmelt zu werden.“
Was für ein Vergnügen hätte es Anita bereitet, der Schwester ins Gesicht zu schreien, dass sie mit Tarquin nach Rom gehen würde, weil er es so wollte. Doch sie blieb stumm und ließ sich nicht hinreißen. Wenn die Zeit gekommen war, würde sie wortlos verschwinden, und das ohne jedes Bedauern.
Charme hatte ihr heute Abend wieder einmal gezeigt, wie wenig sie in diesem Haus gelitten war. Weniger als je zuvor, denn sie war zur Rivalin geworden.
Charme stand auf. Sie war einen halben Kopf größer als Anita.
„Wenn du in Schwierigkeiten gerätst, komme ja nicht zu mir oder Papa gerannt“, warnte sie. „Du armes Ding, du tust mir leid, kein Mann der Welt wird mehr von dir wollen als sein Amüsement. Sieh dich doch an: Unfrisierte Haare, kein bisschen Figur, Lippen, so blass wie ein Schulmädchen, oder hat er dir den Lippenstift weggeküsst in seinem Auto oder in einem billigen Stundenhotel?“, schrie Charme bissig.
„Keine Angst, meine Liebe“, auf die bösen Worte ging Anita gar nicht ein, „wenn ich einmal Hilfe oder Verständnis brauche, werde ich bestimmt nicht zu dir kommen. Fremde Leute haben viel mehr Gefühl als du.“
Anita wandte sich um und ging schnell aus dem Salon. Die antike Uhr in der Halle begann zu schlagen. Es war Mitternacht.
In ihrem Zimmer stellte sie sich vor den Spiegel. Ihr Haar war zerzaust von Tarquins Händen, das Gesicht war blass. Es konnte nicht sein, dass Tarquin nur ihre mädchenhafte Anbetung wollte, weil es ihm Spaß machte. Er begehrte sie und war in sie verliebt.
Ich will dich haben, hatte er gesagt, ich ertrage die Einsamkeit ohne dich nicht mehr. Ich brauche dich, weil du so bist, wie du bist.
War es Liebe, was er für sie empfand?
4. KAPITEL
Der Freitag war schwül, ein Gewitter lag in der Luft. Anita kam in einem ärmellosen, sandfarbenen Leinenkleid in ihr Antiquitätengeschäft. Das Haar hatte sie mit einem breiten Band aus dem gleichen Stoff aus der Stirn gebunden.
„Sieht aus, als käme ein Unwetter“, begrüßte sie ihre Kollegin Kay, „immer dasselbe in unseren Breitengraden. Die paar schönen, sonnigen Tage müssen wir mit Regen und Kühle bezahlen. In meinen Schläfen hämmert es. Das bedeutet Gewitter. Spürst du es auch, Nita?“
„Hm.“ Anita packte ein paar neu angekommene Porzellanfiguren aus. „Hoffentlich ist es bis zum Abend vorbei. Ich habe eine Verabredung für das Theater.“
Kay blickte sie fragend an. „Heute wird ‚Hamlet‘ gespielt, nicht wahr?“
„Ja.“
Anita lächelte und spürte, wie ihr Herz bei dem Gedanken an Tarquin schneller zu schlagen begann. Geschäftig ging sie hin und her, ordnete die antiken Kostbarkeiten, staubte sie ab.
So verging der Morgen. Bei dieser Schwüle gab es nur wenig Kunden. Während die Kollegin zur Mittagspause ging, setzte sich Anita mit ihrem Butterbrot und einem Glas Milch in das kleine Büro neben dem Laden und blätterte in einer Illustrierten. Da ertönte die Türglocke. Anita stand auf. Ein Kunde, dachte sie. Doch es war ein Bote, der einen Biedermeierstrauß herrlicher Veilchen in der Hand hielt.
„Miss Perry?“, fragte der Junge.
„Ja.“
„Dann sind Sie die Dame“, grinste er und legte den Strauß auf den Ladentisch. Dann holte er ein bunt eingepacktes Päckchen aus einem Plastikbeutel. „Herzlichen Glückwunsch, Miss.“
„Ich habe nicht Geburtstag“, erwiderte Anita erstaunt.
Doch der Junge war schon wieder aus der Tür. Sie durchsuchte den Strauß nach einer Karte, fand aber nichts. Dann öffnete sie das Päckchen. Eine Flasche mit ‚violette des sorciers‘ kam zum Vorschein, ein sehr teures
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