Julia Exklusiv Band 0194
trug gut sitzende, helle Hosen und ein schwarzes Seidenhemd, das vorn weit geöffnet war. Er war zwar modern angezogen, doch wirkte er wie aus einem anderen Jahrhundert. Der Wind hatte sein Haar durcheinander geweht, seine Augen glitzerten tiefblau. Ein Pirat, dachte Anita.
„Man sagt, er hat den Teufel im Leib“, wisperte Kim noch schnell. „Alle Talgarths sollen so gewesen sein.“
„Hallo, da ist ja das Mädchen Kim! Wieder einmal zu Hause?
Wir haben uns im vorigen Jahr das letzte Mal gesehen, als du mit deinem Vater in St. Avrell zu Besuch warst.“
Talgarth streckte ihr die Hand entgegen. Kim errötete, als er ihr die Hand schüttelte. Sein Lächeln war hintergründig, als wüsste er, dass die jungen Damen gerade über ihn gesprochen hatten.
„Guten Tag, Mister Talgarth.“
„Hatten wir nicht abgemacht, dass ich Eduard für dich bin?“
„Ja. Ich glaube, ich hatte es vergessen.“
„Ich vergesse die Menschen nie, an die ich mich erinnern möchte.“
Dabei blickte er Anita an, die etwas zurückgeblieben war.
„Dies ist meine Gesellschafterin“, stellte Kim vor, „Anita Perry.“
„Miss Perry und ich kennen uns schon. Hat sie es dir nicht erzählt?“
Talgarth lachte und blickte spöttisch.
„Durch den seltsamen Zufall sind wir uns wieder begegnet, und ich möchte zu gern wissen, warum sie ausgerechnet nach Cornwall gekommen ist.“
„Weil mein Vater sie darum gebeten hat.“
Kim blickte fragend von einem zum anderen.
„Anita hat einen Freund, der sehr krank war. Vater hat ihn operiert. Sie war ihm so dankbar, dass sie einwilligte, seine Tochter im Sommer zu betreuen. So einfach ist das.“
„Wie großzügig von Ihnen, Miss Perry. Und wie schön für dich, Kim, Anita Perry als Freundin zu haben.“
Seine Blicke tauchten tief in Anitas Augen.
„Könnte ich diesen Freund kennen? Möglicherweise bin ich ihm in Avendon begegnet?“
„Ja, ich glaube, Sie trafen ihn – bei meiner Stiefschwester. Sie haben ihn auch in einem Shakespeare-Stück im Theater gesehen.“
„Dieser großartige Schauspieler?“
„Ja.“
Anitas Herz begann zu klopfen. Sie spürte, wie Verzweiflung und Sehnsucht wieder in ihr aufstiegen.
„Wurde er krank? Schwerkrank?“
„Er wurde lebensgefährlich verletzt, als der Blitz im Theater einschlug. Mr. Strathern und sein Skalpell retten ihm das Leben.“
„Und Sie kamen trotzdem nach Cornwall?“
„Wie Sie sehen, ja, Mister Talgarth.“
Anita hob ihr Kinn und wich seinem Blick nicht aus. Er hatte von ihrer Freundschaft zu Tarquin gewusst. Sie fühlte sich entsetzlich, ständig hatte sie das Gefühl, Eduard Talgarth könnte ihre Gedanken lesen und erraten, dass sie davongelaufen war, weil Tarquin sie nicht mehr liebte.
„Anita, warum bist du so verschwiegen?“, beschwerte sich Kim, „du hast mir nicht gesagt, dass du Mr. Talgarth kennst.“
„Es war eine sehr flüchtige Bekanntschaft, Kim“, knurrte Talgarth. „Vielleicht wünscht Miss Perry nicht, sie zu erneuern. Doch ich freue mich, Sie beide getroffen zu haben. Ich fühlte mich gerade ziemlich einsam.“
„So haben Sie auch ausgesehen.“
Kim strahlte ihn an. „Was machen Sie in Port Perryn, ausgerechnet heute, wo ich angekommen bin? Hat Papa geschrieben, dass ich komme?“
„Nein, ich habe seit einiger Zeit keine Nachricht von ihm.“
„Dann sind Sie ein Zauberer. Die haben alle blaue Augen!“
„Und spitze weiße Bärte!“
Kim lachte.
„Die Leute erzählen, Ihre Großmutter hatte das zweite Gesicht“, plapperte Kim in entwaffnender Offenheit, „sie konnte die Zukunft voraussagen. Sie hat auch gesagt, dass Ihr Schloss eines Tages verkauft und für viele Jahre nicht im Familienbesitz sein würde.“
„Wahrscheinlich, weil sie ihren Sohn und seine Leidenschaft für den Alkohol, das Kartenspiel und die Frauen kannte.“
Er hob sarkastisch eine Augenbraue. „Hast du Miss Perry gerade erzählt, dass in den Talgarths der Teufel steckt, der nur durch die reine Liebe eines aufrichtigen Mädchens ausgetrieben werden kann?“
„Was für eine erregende Geschichte“, spottete nun Anita, „glauben Sie wirklich daran?“
„Ich bin so weit gereist und habe so viele seltsame Dinge gesehen und erlebt, dass ich mir überlege, ob es überhaupt klug ist für den letzten Talgarth, sich eine Frau zu nehmen.“ Er grinste. „Wo findet ein armer Teufel wie ich heute noch ein ehrlich liebend Weib?“
„Ich bin sicher, Sie haben keine Schwierigkeiten“, mischte sich Kim mit
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