Julia Exklusiv Band 0197
seiner Familie trug ihr dasselbe Verhalten allerdings schnell den Ruf ein, ein billiges Flittchen zu sein. Und ihr Ehemann hielt es nicht für nötig, sie vor solchen Verleumdungen in Schutz zu nehmen.
Mit diesem Tag hatte eine Entwicklung begonnen, die zwangsläufig zu dem Brief hatte führen müssen, den Isobel noch immer in Händen hielt. Es war tatsächlich an der Zeit, dass sich der Vorhang über einen Abschnitt ihres Lebens senkte, der schon vor Jahren geendet hatte.
Einzig gegen das Verfahren, das Leandros über seinen Anwalt vorschlug, hatte sie noch Einwände. Denn wie sollte sie nach Athen fliegen, wenn sie ihre Mutter nicht einmal für einige Stunden allein lassen konnte?
„Wann landet sie?“
Leandros saß am Schreibtisch seines Athener Büros. Erst vor wenigen Tagen war er aus San Estéban zurückgekommen, aber der Alltagstrott hatte ihn längst wieder eingeholt. Es lag nun einmal in der Natur der Sache, dass der Leiter eines Weltkonzerns keine ruhige Minute hatte, weil ständig jemand etwas von ihm wollte. Vor lauter Terminen blieb ihm nicht einmal die Zeit, den Papierberg abzuarbeiten, der sich auf seinem Schreibtisch aufgetürmt hatte.
Im Grunde war er vierundzwanzig Stunden am Tag im Dienst, denn selbst bei privaten Anlässen traf er auf Geschäftspartner, die sich an seine Fersen hefteten und nicht eher lockerließen, bis sie ihr Anliegen losgeworden waren. Erschwerend kam hinzu, dass er die ganze Arbeit allein schultern musste, weil sein jüngerer Bruder Nikos vollauf mit der Vorbereitung seiner Hochzeit beschäftigt war.
Je näher der große Tag rückte, desto nervöser wurde ihre Mutter. Als ältester Sohn hatte Leandros, von seinem verstorbenen Vater nicht nur die Leitung des Konzerns, sondern auch die Rolle des Familienvorstands übernommen. Deshalb glaubte seine Mutter, ihn alle zehn Minuten anrufen und an seine Pflichten als Gastgeber erinnern zu müssen. Auf den vorsichtigen Einwand, dass er noch etwas anderes zu tun hätte, reagierte sie in schöner Regelmäßigkeit mit einem Panikanfall, der stets mit einer Litanei darüber endete, dass er die falsche Frau und die auch noch heimlich geheiratet hätte.
Am liebsten hätte er seinem jüngeren Bruder geraten, es ihm nachzutun und Carlotta Santorini in einer abgelegenen Dorfkapelle das Jawort zu geben. Wenn es einen Moment in seiner Ehe gab, an den er gern zurückdachte, dann war es die Trauung. Nie würde er den Moment vergessen, als er Isobel den Ehering an den Finger gesteckt und sie mit ihrem unnachahmlichen Lächeln zu ihm aufgesehen und geflüstert hatte: „Ich liebe dich und werde dich immer lieben.“
Um ihr den Treueschwur zu glauben, hatte er nicht fünfhundert geladene Gäste gebraucht – und dass alles anders gekommen war, hätten auch tausend Zeugen nicht verhindern können.
„Heute Abend.“
Es dauerte eine Weile, bis Leandros sich erinnerte, was er Takis Konstantindou gefragt hatte.
„Hast du ihr die Suite im Athenäum reserviert?“, erkundigte er sich.
„Das wollte ich“, erwiderte Takis. „Sie hat es allerdings abgelehnt und sich auf eigene Faust ein Hotel gesucht.“
„Weißt du, welches?“
„Meines Wissens hat sie im Apollo gebucht – aber erst, nachdem man ihr zugesichert hat, dass das Haus für Rollstuhlfahrer geeignet ist.“
Takis’ Erklärung traf Leandros gänzlich unvorbereitet. „Warum das denn?“, fragte er entgeistert. „Hatte sie einen Unfall, oder warum sitzt sie im Rollstuhl?“
„Dass sie im Rollstuhl sitzt, habe ich nicht gesagt“, wandte sein Anwalt ein. „Ich weiß nur, dass sie drei Zimmer gebucht hat, und eines davon ist behindertengerecht ausgestattet.“
„Dann solltest du schnellstens herausfinden, für wen es ist“, forderte Leandros ihn unmissverständlich auf. Der Gedanke, dass Isobel an den Rollstuhl gefesselt war, war ihm schier unerträglich.
„Selbst wenn sich deine Befürchtung bestätigen sollte, brauchst du an deinem Entwurf für eine gütliche Einigung nichts zu ändern. Das Angebot, das du ihr machst, ist absolut angemessen.“
Takis war offenbar nicht entgangen, wie schockiert er war. Wie seine zynische Bemerkung verriet, irrte er sich allerdings hinsichtlich der Gründe.
„Glaubst du wirklich, es ginge mir ums Geld?“, fragte Leandros empört. „Isobel ist meine Frau, und auch wenn die Ehe gescheitert ist, fühle ich mich nach wie vor für sie verantwortlich – erst recht, wenn sie an den Rollstuhl gefesselt ist.“
„Ich wollte dir wirklich
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