Julia Exklusiv Band 0197
der Augen.“
„Vergiss den Trotzkopf nicht“, ergänzte Silvia. „Du bist offenbar wild entschlossen, ihn nachträglich dafür zu bestrafen, dass er dich damals …“
„Er mich?“ Isobel warf ihrer Mutter einen strafenden Blick zu. „Vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass ich mich von ihm getrennt habe.“
„Vielleicht darf ich dich daran erinnern, wie inständig du gehofft hast, dass er kommt und dich zurückholt.“
Schön, dass du mir das ausgerechnet jetzt unter die Nase reibst, dachte Isobel. „Ich muss jetzt los“, sagte sie stattdessen und suchte nach ihrer Handtasche.
„Willst du das Ganze nicht lieber dem Anwalt überlassen?“, fragte Silvia besorgt.
„Fang bitte nicht schon wieder damit an“, bat Isobel inständig. Sie hatten schon unzählige Male darüber gesprochen, und allmählich war sie die Ermahnungen und Belehrungen ihrer Mutter leid.
„Dass ihr euch scheiden lasst, wird sicher höchste Zeit“, erklärte ihre Mutter trotzdem und versuchte mühsam, sich aufzurichten. „Aber ich verstehe nicht, warum du so darauf versessen bist, die Details selbst zu klären. Und wenn ich sehe, wie du angezogen bist, wird mir angst und bange.“
Trotz der Krücken, auf die sie sich stützte, kostete es sie größte Anstrengung, sich aufrecht zu halten. „Setz dich bitte wieder“, bat Isobel und stellte ihr einen Stuhl hin. „Du sollst dich doch nicht überanstrengen.“
„Ich setze mich erst, wenn du dich nicht mehr wie ein bockiges kleines Kind benimmst“, erwiderte Silvia bestimmt.
„Wer benimmt sich hier denn wie ein bockiges kleines Kind?“ Auch wenn die Situation eigentlich zu ernst war, musste Isobel unwillkürlich lachen.
Um zu wissen, woher sie ihren Dickkopf hatte, brauchte sie nur ihre Mutter anzublicken. Von ihr hatte sie neben ihrem Aussehen vor allem die Entschlossenheit und den unbeugsamen Willen geerbt.
Vor allem Letzterer wurde seit Silvias schwerem Autounfall vor zwei Jahren auf eine harte Probe gestellt. Die Heilung ging nur schleppend voran, und die Verletzungen an der Wirbelsäule waren so schwer, dass Silvia auf unabsehbare Zeit auf den Rollstuhl angewiesen sein würde. Glücklicherweise war ihr Lebensmut ungebrochen, und so gab sie die Hoffnung nicht auf, eines Tages wieder völlig zu genesen. Manchmal übertrieb sie es jedoch derart, dass sie sich in Gefahr brachte. Erst vor wenigen Wochen war sie schwer gestürzt. Zum Glück hatte sie sich bis auf einige blaue Flecken nichts getan.
Isobel hatte sich trotzdem schwerste Vorwürfe gemacht, weil sie ihre Mutter an jenem Tag allein gelassen hatte, um den Auftrag einer Illustrierten zu erledigen. Seitdem wagte sie es nicht, ihre Mutter länger als einige Stunden allein zu lassen.
Der Brief von Leandros’ Anwalt hatte sie deshalb vor ein schier unlösbares Problem gestellt. Schließlich war sie auf die Idee gekommen, Silvia nach Athen mitzunehmen. Das war zwar nicht der Weisheit letzter Schluss, aber immer noch besser, als vor Sorge um sie zu vergehen.
Zu ihrer Überraschung zeigte sich ihre Mutter einsichtig und nahm auf dem Stuhl Platz. Sie war sichtlich erschöpft.
„Natürlich verfolge ich mit meiner Kleidung eine bestimmte Absicht“, räumte Isobel ein und nahm ihrer Mutter die Krücken ab. „Aber es geht mir nicht darum, dass Leandros seinen Schritt bereut“, fügte sie hinzu, ehe sie in die Hocke ging und Silvias Hand umfasste.
„Ich konnte ihm einfach nichts recht machen“, erklärte sie traurig. „Immer hatte er etwas an mir auszusetzen, ganz egal, ob es um meine Kleidung oder mein Verhalten ging. Jetzt soll er mit eigenen Augen sehen, dass ich durchaus in der Lage bin, mich so gesittet zu kleiden und zu benehmen wie jede andere Frau auch – jedenfalls solange man mich nicht zu etwas zwingen will, was ich nicht bin.“
Silvia brauchte ihrer Tochter nur in die Augen zu sehen, um Gewissheit zu haben, dass sie sich etwas vormachte. Genauso sicher war, dass Leandros einen ganz anderen Eindruck haben würde, wenn Isobel ihm in dieser Aufmachung gegenübertrat.
In diesem Moment klopfte es an der Tür. „Das wird Lester Miles sein“, sagte Isobel und stand auf, um ihren Rechtsanwalt zu begrüßen.
„Pass bitte auf dich auf, Kleines“, mahnte Silvia sie und hielt ihre Hand fest umklammert. „Er hat dir wirklich genug wehgetan.“
Der unvermittelte Gefühlsausbruch ihrer Mutter machte Isobel zutiefst betroffen. „Vielleicht hat er das wirklich“, gestand sie. „Aber eins ist sicher.
Weitere Kostenlose Bücher