Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
hatte jedoch gar nicht so reagiert, als wäre er entsetzt. Zunächst hatte er sogar erleichtert geklungen, und dann eigentlich nur noch besorgt. Wie konnte ein Mann, der das Schlechteste von ihr dachte, besorgt um sie sein? Das war so etwas wie schwarzer Humor. Aber anstatt über die Situation zu lachen, spürte Rachel einen stechenden Schmerz in ihrem Herzen. Emotional war sie monatelang wie betäubt gewesen, und sie war nicht glücklich darüber, dass ihre Gefühle vielleicht zurückkehrten. Dann machte sie sich klar, dass der Schmerz, den sie empfand, wahrscheinlich etwas mit ihrer Krankheit zu tun hatte.
Ja, eine andere Erklärung gab es nicht. Sie empfand nichts mehr für Sebastian und konnte gefühlsmäßig nicht mehr auf ihn reagieren.
Rachels Gedanken kreisten unaufhörlich um Sebastian, das Baby und ihren Gesundheitszustand und ließen sie in dieser Nacht nicht schlafen. Sebastian hatte nicht zurückgerufen, und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Ganz gleich, wie oft sie das Telefongespräch durchging, sie durchschaute den Mann nicht, der mit ihr ein Kind gezeugt und sie dann erbarmungslos und brutal zurückgewiesen hatte. Und dass sie sich außerdem um die Zukunft und Gesundheit ihres Babys Sorgen machte, machte sie noch nervöser. Rachel versuchte, eine bequeme Lage zum Schlafen zu finden. Sie drehte sich von einer Seite auf die andere, doch es gelang ihr nicht, sich zu entspannen. Als Decke und Laken schließlich ein wirres Knäuel bildeten, stand sie auf.
In Büchern wurde immer eine Tasse heiße Milch empfohlen, deshalb erhitzte sie Milch in der Mikrowelle, gab Zucker und Vanille hinzu und trank das Ganze. Danach fühlte sie sich nicht müder oder ruhiger, trotzdem ging sie wieder ins Bett und war fest entschlossen, ein bisschen zu schlafen.
Das Durcheinander aus Laken, Kopfkissen und königsblauer Seidensteppdecke ließ darauf schließen, dass Rachel noch kein Auge zugetan hatte.
Rachel hatte die Kopfkissen aufgeschüttelt und zog gerade das obere Laken hoch, als es an der Haustür klingelte. Sie warf einen Blick auf den Wecker. Es war drei Uhr morgens. Das hellblaue Laken entglitt ihr, und sie sah unschlüssig zur Schlafzimmertür. Sollte sie auf das Klingeln reagieren? Ihr fiel niemand ein, der sie um diese Zeit besuchen würde. Die Freunde und Freundinnen ihrer Mutter kannten ihre jetzige Adresse nicht, und ihre eigenen Bekannten waren nicht so unhöflich.
Es klingelte wieder anhaltend, und Rachel fühlte sich von den hartnäckigen Versuchen des nächtlichen Besuchers, eingelassen zu werden, unwiderstehlich angezogen. Zugleich fragte sie sich ängstlich, was die Störung zu bedeuten hatte. Sie ging barfuß über den mit Teppich ausgelegten Flur zur Wohnungstür. Ihr Herz schlug beunruhigend schnell.
Wer auch immer es war, er schlug mit der Faust gegen die Stahltür. Rachel blickte durch den Spion und sah nur ein am Hals aufgeknöpftes weißes Herrenhemd ohne Krawatte. Aber sie hatte genug gesehen. Sie wusste, wer der Besucher war: Sebastian.
Sie schloss auf, öffnete und wollte ihn begrüßen, doch sie brachte keinen Ton heraus. Sebastian sah müde und fast abgehärmt aus, und er hatte Gewicht verloren, so als wäre er kürzlich krank gewesen. Um die Lippen waren Stressfalten zu erkennen. Die vergangenen drei Monate mussten geschäftlich ziemlich schwierig gewesen sein, wenn Sebastian dermaßen erschöpft war.
Rachel streckte unwillkürlich die Hand aus, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte und er wirklich vor ihr stand. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass Sebastian Kouros tatsächlich gekommen war.
Er nahm ihre Hand, gerade als Rachels Herz wieder wie verrückt zu klopfen begann. Sie atmete stoßweise und hoffte verzweifelt, dass sie nicht ohnmächtig werden würde.
Ohne zu zögern, kam er herein, trat die Tür mit dem Fuß hinter sich zu und hob Rachel hoch. „Wo ist das Schlafzimmer?“
Sie wies auf die Tür. Er trug sie in ihr Zimmer und legte sie auf das Wasserbett, das leicht schwankte und Rachels Verwirrung verstärkte.
„Wie geht es dir? Brauchst du einen Arzt?“
„Nein. Der Schock, dich zu sehen … Ich bin nur ein bisschen außer Atem geraten, das ist alles.“
Sebastian versteifte sich. „Ich hätte dir meine Ankunft ankündigen sollen, aber von dem Moment an, als du angerufen hast, hatte ich nur noch den Wunsch, so rasch wie möglich bei dir zu sein.“
Es hörte sich so an, als hätte er sie wahnsinnig vermisst. Aber das war unmöglich.
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