Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
ein Paradies auf Erden verwandelt hatte, ähnlich wie der Garten, der sie umgab.
Lucy mochte zwar offiziell einem anderen gehören, aber sie hatte ihn soeben geküsst, als sei er der Mann, auf den sie ihr Leben lang gewartet hatte. Und dadurch hatte sie ihn aus den Fesseln seiner Vergangenheit befreit.
Dieser Ort war ihre Zuflucht, ihre Zitadelle, und Hanif hatte sich geschworen, dass Steve Mason auf Knien um Vergebung bitten musste, bevor er die Schwelle übertreten durfte. Und auch dann würde er dafür sorgen, dass Lucy sich frei entscheiden konnte, ob sie mit ihrem Mann ging oder nicht.
„Han!“, rief sie erschrocken, als er sich bückte und sie hochhob. Ihre Krücken fielen zu Boden, und sie klammerte sich an seine Schultern.
„Ich werde versuchen, zu vergessen, dass ich dich geküsst habe“, sagte er ruhig, so als sei nichts geschehen. „Und ich werde versuchen, zu vergessen, dass du mich auch geküsst hast.“
„Gut“, stammelte sie. „Wenn du mich jetzt wieder runterlassen würdest …“
„Aber wie du selbst sagtest, Erinnerungen lassen sich nicht so einfach auslöschen, sie sind ein Teil von uns. Egal ob schöne oder unerfreuliche Erinnerungen, wir müssen mit ihnen leben.“ Er schaute sie auf eine Art und Weise an, als würde er sie zum ersten Mal sehen.
„Ich dachte, du hättest mich nicht gehört“, antwortete Lucy leise.
„Das habe ich versucht.“ Hanif trug sie behutsam nach draußen. „Ich bin so schnell geritten, wie ich konnte, aber es ist mir nicht gelungen, deine Worte hinter mir zu lassen. Sie verfolgten mich die ganze Zeit. Deine Stimme, dein Gesicht, dein Lächeln. Wie du aussiehst, wenn du versuchst, nicht zu lachen, und wie deine Augen dann leuchten, wenn du das Lachen nicht länger zurückhalten kannst. Da ist mir klar geworden, dass es keinen Sinn hat zu fliehen. Und dass ich mich schon viel zu lange vor meinen Gefühlen versteckt habe, anstatt mich ihnen zu stellen.“
Lucy erwiderte nichts, doch trotz der warmen Luft zitterte sie ein wenig, als Hanif sie in den Schatten trug und sie dort auf ihrem Liegestuhl absetzte.
Hanif griff nach dem Telefon und wählte die Nummer von Zahirs Mobiltelefon. Zahir hätte schon vor Tagen zurückgekehrt sein sollen. Hanif hatte erwartet, bei seiner Rückkehr eine Nachricht von seinem Cousin vorzufinden, doch es hatte keine gegeben.
Auch jetzt war nur die Mailbox zu erreichen. Hanif wollte gerade eine Nachricht hinterlassen, als er von dem Anblick eines Kätzchens abgelenkt wurde, das vor seiner Tür entlangspazierte.
Er legte das Telefon beiseite und folgte dem Tier, dem sich bald eine zweite Katze anschloss. Die beiden schlichen hintereinander über den Balkon, und er konnte sie gerade noch rechtzeitig hochheben, bevor sie durch die offene Tür in Lucys Zimmer schlüpfen konnten.
Hanif blickte ins Innere und sah Lucy, die auf dem Sofa lag und Kopfhörer trug, vollkommen versunken in den Arabischkurs, den sie gerade hörte. Hanif blieb in der Türöffnung stehen und lauschte fasziniert, wie Lucy einzelne Worte und ganze Sätze wiederholte.
Es war offensichtlich, dass sie sich große Mühe gab, die Sprache zu erlernen, und dass sie bereits erstaunliche Fortschritte gemacht hatte. Sie schien fest entschlossen zu sein, eine verantwortungsvolle Aufgabe in der Firma zu übernehmen, die ihr zur Hälfte gehörte.
Hanif setzte eines der Kätzchen auf den Boden und beobachtete, wie es auf Lucy zulief und auf ihren Schoß sprang. Sie schaltete den CD-Player aus und beugte sich über das Tier. Und obwohl Hanif ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste er, dass sie lächelte, als sie mit sanfter Stimme sagte: „Hallo, mein Kleiner. Wo ist denn dein Bruder?“ Dann hob sie den Kopf, und ihr Blick fiel auf Hanif.
Sie nahm die Kopfhörer ab und sagte: „Oh.“
Das zweite Kätzchen wand sich in Hanifs Arm, und er setzte es ebenfalls auf dem Boden ab, damit es zu seinem Bruder laufen konnte.
„Ich habe ganz vergessen, dir von den Katzen zu berichten.“
Hanif hatte nichts gegen Katzen. In diesem Augenblick beneidete er sie lediglich um die Unbefangenheit, mit der sie sich in Lucys Nähe aufhielten, und um die Aufmerksamkeit, die sie den beiden schenkte.
„Wo kommen sie her?“, fragte er.
„Deine Schwester hat sie geschickt. Sie rief mich an und fragte, ob sie einige Sachen schicken dürfe, um Ameerah die Zeit zu vertreiben.“
„Und? Hat Ameerah sich mit ihnen beschäftigt?“
„Ungefähr fünf Minuten“, antwortete Lucy.
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