Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
war, sie ins Gartenhaus zu tragen. „Nein, Han! Ich bin doch ganz nass! Der Teppich …“
Ohne sich um ihren Protest zu kümmern, trug er sie ins Innere und setzte sie dort auf dem Sofa ab. Nachdem er ihr einige Kissen in den Rücken gelegt hatte, kniete er nieder, um ihre Schiene mitsamt des durchweichten Futters zu entfernen. Dann zog er ihr vorsichtig die ruinierten Sandalen aus, löste sein Kopftuch und säuberte ihr damit die verschmutzten Füße.
Beinahe hätte Lucy ihm vorgehalten, dass er ihretwegen Teppich und Sofa verschmutzt hatte, doch als sie sein ernstes und erschöpftes Gesicht sah, entschied sie, lieber zu schweigen. Unter seinen müden Augen zeigten sich tiefe, dunkle Ringe, und er machte den Eindruck, als habe er seit Tagen nicht richtig geschlafen.
Überzeugt, dass es ihre Schuld war, streckte sie die Hand aus, um ihn zu trösten und ihm zu sagen, wie leid es ihr tat.
Doch bevor sie sein Gesicht berühren konnte, packte er ihr Handgelenk und hielt es fest.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, in der ihre Hand wenige Zentimeter vor seinem Gesicht schwebte. Doch der Abstand war nicht groß genug, um eine Distanz zwischen ihnen aufzubauen. Lucy konnte die Wärme spüren, die von Hanifs Körper ausging, und ihr war, als würde diese sich auf ihren ganzen Körper ausbreiten und ein leidenschaftliches Feuer der Gefühle auslösen. All die Lektionen ihrer Großmutter über das, was mit Frauen geschah, die sich ihren Begierden hingaben, gingen in Flammen auf.
Es gab keine Möglichkeit, ihren Empfindungen Einhalt zu gebieten, so überwältigend war ihr Wunsch, von Hanif im Arm gehalten, geküsst und berührt zu werden.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Lucy sich immer gefragt, warum alle Menschen so viel Aufhebens um diese Angelegenheiten machten. Nun verstand sie es.
Sie spürte, wie ihre Lippen sich unwillkürlich öffneten, während Hanif seinen Griff um ihr Handgelenk lockerte und seine Hand über ihren Arm gleiten ließ. Als er ihre Schulter erreichte, griff er in ihr Haar und löste die Spange, die es zusammengehalten hatte. Dann kam er langsam immer näher.
In dem Augenblick, als seine Lippen die ihren berührten, schien sich in Lucys Innerem etwas zu lösen.
Alle Schmerzen waren vergessen, als er sie küsste. Dabei wurde sein Kuss immer fordernder, er küsste sie wie ein Verdurstender, der endlich eine Quelle erreicht hat. Und Lucy erwiderte seine Leidenschaft mit einem Verlangen, das sie in ihren kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte. Sie wünschte sich auf einmal nichts sehnlicher, als dass er sie hochheben und an sich drücken würde, sodass sie seinen Körper auf ihrer Haut spüren konnte.
Als habe er ihre Gedanken gelesen, schloss er die Arme um ihre Taille und hob Lucy hoch, zog sie an sich, während seine Zunge weiterhin ihren Mund erforschte und sein Haar ihre Wange liebkoste.
Und dann war es vorbei.
Es ging gar nicht anders, ihre Leidenschaft war zu feurig, um über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden zu können.
Hanif zog den Kopf zurück und legte seine Stirn dann gegen die ihre. Seine Augen waren geschlossen, sein Atem ging stoßweise. Nach einer Weile sagte er: „Du hattest recht, Lucy.“
„Ich?“
„Wir können uns unsere Erinnerungen nicht aussuchen. Wir können sie nicht löschen wie Dateien auf einem Computer, egal wie sehr wir uns das auch wünschen. Sie sind ein Teil von uns, und sie machen uns zu dem, was wir sind.“
Es dauerte einen Moment, bis sie den vollen Sinn seiner Worte begriff. Hanif hatte sich ihr zugewandt, weil er gehofft hatte, dass durch sie die Erinnerung an seine tote Frau verblassen würde. Er hatte geglaubt, dass Lucy ihn erlösen könnte.
Das Mitgefühl, das sie durchzuckte, war so schmerzhaft, dass es einer Offenbarung gleichkam. Ihr wurde bewusst, wie viel sie für diesen Mann empfand. Aber wie hätte sie das auch vorher wissen sollen? Sie hatte doch keine Ahnung von solchen Dingen, von Liebe, Zärtlichkeit, Leidenschaft.
Steve hatte ihr den Hof gemacht, aber sie hatte nicht genug Erfahrungen gehabt, um sein Verhalten mit dem anderer Männer vergleichen zu können. Sie hatte seine Freundlichkeit für wahre Zuneigung gehalten, hatte ihre eigene Dankbarkeit, dass sich jemand für sie interessierte, mit Liebe verwechselt.
Mit einer einzigen Berührung, in einem einzigen Augenblick der Wahrheit, hatte sie nun den Unterschied kennengelernt.
Vielleicht war das, was sie fühlte, keine Liebe – woher hätte sie das
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