Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
hatte. Aber sie selbst hatte ihm beigebracht, dass man dem Menschen, den man liebte, die Freiheit schenken musste. Und das Risiko eingehen musste, dass er niemals wieder zurückkam.
„Ich bin keine Blume“, sagte sie.
„Bist du sicher? Du verfügst über alle Eigenschaften einer Rose, einschließlich der Dornen.“
„Was wird aus der armen Frau und ihrem Kind?“
„Jenny Sanderson? Warum machst du dir mehr Gedanken über ihr Schicksal als über dein eigenes?“ Er wollte nicht über diese Frau oder über die Vergangenheit reden. Er wollte über die Zukunft sprechen.
„Ich hätte genauso gut an ihrer Stelle sein können“, sagte sie verzweifelt. Sie wünschte sich so sehr, dass Hanif sie verstand. „Ich fühle mich für sie verantwortlich.“
„Nein, Lucy. Die beiden sind selbst verantwortlich für alles, was sie getan haben. Sie müssen sich den Konsequenzen stellen, so wie wir alle.“
„Du hast einmal gesagt, dass du mir keinen Wunsch abschlagen könntest.“
Und er hatte es so gemeint, Gott war sein Zeuge.
„Nicht diesmal“, sagte er. „In diesem Punkt bleibe ich hart.“ Dann, mit Bedauern in der Stimme: „Musst du wirklich gehen?“
„Ich muss das Haus verkaufen. Meine finanzielle Lage in Ordnung bringen. Mir ein neues Leben aufbauen. Kein Gefängnis und kein Wunschschloss, sondern ein echtes Leben.“
Aber das hier ist doch echt, wollte er sagen. Was ich für dich fühle und das, was du für mich fühlst …
Sie neige den Kopf leicht zur Seite. „Ich werde mich auch um einen Studienplatz bemühen.“
„Du möchtest jetzt doch noch französische Literatur studieren?“
„Nein, ich bin nicht mehr das Mädchen, das ich damals war. Ich habe nachgedacht und …“ Sie brach ab, offenbar hatte sie es sich anders überlegt und wollte ihre Pläne nicht mit ihm teilen.
Er hakte nicht nach. Stattdessen fragte er: „Was ist mit deiner Mutter? Wirst du nach ihr suchen?“
Sie nickte stumm.
„Wenn es irgendetwas gibt, was ich für dich tun kann, Lucy …“ Bevor er zu Ende sprechen und ihr sagen konnte, was er wirklich empfand, trat eine Stewardess zu ihnen und informierte sie, dass Lucys Flugzeug nun bereit war zum Einsteigen.
„Einen Moment noch.“
Doch Lucy hatte sich bereits von ihm entfernt, hatte sich zu Ameerah hinuntergebeugt und das Kind fest in den Arm genommen. „Auf Wiedersehen, mein Liebling. Ich hoffe, dass du ein wunderbares Leben haben wirst.“
Dann atmete sie tief durch und drehte sich wieder zu Hanif um. Sie reichte ihm die Hand. „Vielen Dank, Han, für mein Leben und für alles andere, was du für mich getan hast. Ich werde dich niemals vergessen.“
Er erkannte, was ihre dargebotene Hand zu bedeuten hatte. Sie verabschiedete sich von ihm, nicht nur für diesen Augenblick, sondern für immer.
Hanif ergriff ihre beiden Hände und hielt sie an seine Brust. Er wollte ihr klarmachen, dass er ihre Worte verstanden hatte, dass man dem Menschen, den man liebte, die Freiheit lassen musste. Doch für ihn war dies kein endgültiger Abschied, sondern nur eine notwendige Unterbrechung. Sie beide mussten das, was zwischen ihnen geschehen war, erst in Ruhe verarbeiten und sich währenddessen darum kümmern, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Er selbst musste sein altes Dasein wieder aufnehmen, während sie sich das Leben aufbauen musste, von dem sie so lange geträumt hatte.
Es gab so vieles, was er ihr sagen wollte, aber ihm wurde klar, dass sie für die Entscheidungen und Verpflichtungen noch nicht bereit war, die mit seinen Worten einhergehen würden. Also küsste er sie lediglich auf beide Wangen, bevor er ihre Hand an seine Lippen führte.
„ Ma’as salamah , Lucy. Allah sei mit dir.“
„ Ma’as salamah , Han.“
Lucy wollte noch etwas sagen. Sie wollte ihm zeigen, dass sie begriff, dass dies das Ende war. Dass sie aus unterschiedlichen Welten stammten und dass sie verstand, dass sie ab dem Zeitpunkt, wo er zu seinem alten Leben zurückkehrte, nichts als eine Erinnerung für ihn sein würde. Eine angenehme Erinnerung, so hoffte sie, eine, die ihm ein Lächeln auf die Lippen zaubern würde, auch wenn er längst ihren Namen vergessen hatte oder nicht mehr wusste, wie sie aussah.
Aber ihr Hals war so zugeschnürt, dass sie kein weiteres Wort hervorbrachte. Es spielte keine Rolle. In einer Woche oder in einem Monat würde er selbst dahinterkommen.
Also ergriff sie ihre Krücken und folgte der Stewardess. Doch als sie die Tür erreichte, lief Ameerah
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