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Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)

Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)

Titel: Julia Exklusiv Band 238 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Fielding
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auf sie zu, um sie ein letztes Mal zu umarmen. Das Mädchen klammerte sich an Lucys Beine, wollte sie nicht gehen lassen.
    Han sagte etwas zu dem Kind, und die Kleine ließ los, lief auf ihn zu und streckte die Arme aus. Ohne zu zögern, bückte er sich und hob seine Tochter hoch. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit schloss Ameerah ihre Arme um seinen Hals und barg ihr Gesicht an seiner Schulter.
    Das ist mein Verdienst, dachte Lucy.
    Wenn sie auch sonst nichts aus ihrem Leben machen würde, so würde sie sich doch immer an dem Gedanken erfreuen, dass es ihr gelungen war, einen Vater und seine kleine Tochter zusammenzubringen.
    Ihre Augen begegneten sich ein letztes Mal über Ameerahs Schulter hinweg. Seine Lippen bewegten sich, doch eine Lautsprecherdurchsage übertönte seine Worte. Es spielte keine Rolle, schließlich war alles gesagt. Mit einem knappen Nicken drehte Lucy sich um und bestieg den Wagen, der sie zum Flugzeug bringen sollte.
    Ihr Leben lang hatte sie ihre Gefühle zurückgehalten, und dennoch fiel es ihr in diesem Augenblick besonders schwer, sich zusammenzunehmen. Ihr Hals war wie zugeschnürt, und es gelang ihr kaum, dem Steward zu danken, der sie begrüßte und ihr Gepäck verstaute.
    Die Ausstattung des Privatjets war überaus luxuriös. Es gab zahlreiche einladende Sessel, ein vollständig eingerichtetes Büro und sogar ein Schlafzimmer, in das man sich zurückziehen konnte.
    Aber es war das Buch, das neben ihrem Platz auf sie wartete, das ihren Atem stocken ließ.
    Es handelte sich um Hanifs persönliches Exemplar der Gedichte, an deren Übersetzung er arbeitete. Auf die Innenseite hatte er eine Widmung auf Arabisch geschrieben: „Damit du mich nicht vergisst.“
    Lucy sank auf ihrem Sitz zusammen und brach in Tränen aus.
    Während Hanif beobachtete, wie das Flugzeug vom Boden abhob, war ihm, als würde ihm das Herz bei lebendigem Leib herausgerissen.
    Doch dann sah er auf das kleine Mädchen in seinem Arm und erkannte, dass sein Herz weiterhin in seiner Brust schlug. Seine Gedanken mochten zwar bei Lucy sein, die sich in diesem Augenblick zehn Kilometer über dem Boden befand, aber sie waren zugleich hier unten bei seiner Tochter. Seine Liebe konnte an zwei Orten gleichzeitig sein und nicht nur das. Sie konnte sowohl in der Gegenwart leben, bei seiner Familie und seinen Freunden, als auch in der Vergangenheit, bei den Menschen, die von ihm gegangen waren. Und sie wies ihm den Weg in eine Zukunft, die er bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten hatte.
    Lucy, die ein einsames und trostloses Leben hinter sich hatte, verfügte über eine so grenzenlose Liebe, dass sie in der Lage war, Mitgefühl für eine Frau aufzubringen, die ihr nur mit Härte begegnet war. Sie empfand Mitleid mit zwei Menschen, die ihr um ein Haar alles genommen hätten, was sie besaß. Und sie hatte ein kleines Mädchen in ihr Herz geschlossen, das ohne Mutter aufgewachsen war, und sogar noch etwas Liebe für einen Mann übrig gehabt, der zu diesem Zeitpunkt innerlich schon ganz ausgetrocknet gewesen war.
    „Wohin fliegt Lucy?“, fragte Ameerah.
    „Sie fliegt in ein Land namens England. Es ist sehr grün dort. Ein sehr schönes Land.“
    „Warum fliegt sie dorthin?“
    „Sie muss dort einige Dinge erledigen.“ Die gleichen Dinge, um die auch er sich kümmern musste.
    „Wird sie jemals wiederkommen und uns besuchen?“
    „In sha’Allah“ , antwortete Hanif und strich seiner Tochter sanft über das Haar. So Gott will.
    Das Leben, so stellte Lucy fest, war gar nicht so schwierig, wie sie geglaubt hatte.
    Achtundzwanzig Jahre lang hatte sie mit den Widrigkeiten einer Existenz kämpfen müssen, die es ihr nicht einfach gemacht hatte. In der Schule hatte sie sich bemüht, nicht aufzufallen, Schwierigkeiten zu vermeiden und dennoch gute Leistungen zu erbringen. Danach hatte sie sich zehn Jahre lang mit den Behörden, Ärzten und mit ihrer immer schwächer werdenden Großmutter herumschlagen müssen.
    Steve hatte sie zu einem Zeitpunkt wiedergetroffen, an dem sie zum ersten Mal das Gefühl gehabt hatte, nicht länger kämpfen zu müssen, und er hatte diesen Moment der Schwäche skrupellos ausgenutzt. Hanif hatte recht gehabt: Wenn Steve damit durchgekommen wäre, würde er es mit Sicherheit wieder versuchen.
    Sie wünschte, sie hätte mit Hanif darüber sprechen können. Dann hätte sie ihm gesagt, dass sie nun, wo sie das ganze Ausmaß von Steves Gewissenlosigkeit begriffen hatte, verstehen konnte, warum Hanif

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