Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
weckte eher zwiespältige Gefühle in ihr. Mit ihm konnte sie nicht annähernd so ungezwungen plaudern wie mit seiner Mutter.
Als Ross sich wieder zu ihnen gesellte, trug er dunkelblaue Hosen und ein frisches weißes Hemd. Sein dichtes dunkles Haar war noch nass vom Duschen.
„Besser?“, fragte er und hob eine Augenbraue, als Gina ihn ansah.
„Kleider machen Leute“, erwiderte sie lässig.
„Wir haben über die Filmindustrie gesprochen“, erzählte Elinor. „Du solltest Gina unbedingt die Studios zeigen, Ross. Sam würde sich freuen.“
„Ich glaube nicht, dass Gina in den paar Tagen, die sie hier bleiben will, Zeit für eine Besichtigungstour hat“, entgegnete er.
„Dafür würde ich meine Abreise sofort um einen Tag verschieben“, platzte sie heraus. „Schließlich ist es meine einzige und letzte Chance, mir das Innere von Hollywood anzusehen. Aber wenn Sie keine Zeit haben …“
„Die nehme ich mir natürlich. Ich kümmere mich darum. Wollen wir jetzt essen?“
„Ja, gern.“ Inzwischen hatte Gina richtigen Hunger. „Wo denn? Drinnen oder draußen?“
„Draußen, aber nicht hier.“
Sie machte Anstalten, ihr halb volles Glas mitzunehmen.
„Lassen Sie das ruhig stehen. Sie bekommen gewiss ein neues.“
„Spare in der Zeit, so hast du in der Not“, gab sie den Ball zurück und behielt das Glas in der Hand.
Elinor lachte. „Mir scheint, du hast einen ebenbürtigen Partner gefunden, mein Sohn.“
Woraufhin Ross Gina einen herausfordernden Blick zuwarf. „Darauf würde ich nicht setzen. Ich bin nicht auf dem Markt zu haben.“
„Und ich stehe ganz gewiss nicht Schlange“, konterte Gina. „Unentschieden! Und jetzt gehen wir essen“, drängte Elinor, offensichtlich amüsiert von dem Schlagabtausch.
Die Terrasse zog sich einmal um das gesamte Haus herum, und auf der schattigen Seite wurde das Essen serviert. Mit seinen tadellosen Manieren wartete Ross, bis die beiden Frauen sich gesetzt hatten, bevor er Gina gegenüber Platz nahm. Immer wieder kostete es sie eine enorme Anstrengung, dem Blick seiner grauen Augen standzuhalten und die gleiche Gelassenheit zur Schau zu tragen wie er. Dieser Mann verunsicherte sie in mancherlei Hinsicht.
Das Essen wurde auf einem Servierwagen mit Warmhalteplatten gebracht, von dem sich jeder selbst bediente. Aber obwohl es ihr schmeckte, brachte Gina kaum einen Bissen hinunter, so müde war sie plötzlich. Während des Flugs hatte sie immer wieder gedöst, aber nie richtig geschlafen. Seit über fünfundzwanzig Stunden war sie jetzt schon auf den Beinen. „Wann lerne ich Roxanne kennen?“, fragte sie.
„Sobald sie aus San Francisco zurück ist. Falls sie überhaupt kommt, bevor Sie uns wieder verlassen“, antwortete Ross zynisch. „Lass das Mädchen in Ruhe“, tadelte ihn seine Mutter. „Gina reist ab, wenn sie es möchte. Keinen Moment früher oder später.“ Dann schaute sie ihren Gast an. „Sie können sich ja kaum noch auf den Beinen halten, meine Liebe. Warum gehen Sie nicht hoch und schlafen sich gründlich aus? Morgen ist auch noch ein Tag.“
„Dein Lieblingsspruch aus ‚Vom Winde verweht‘, Mom“, erwiderte Ross. „Für mich wird es auch Zeit. Ich hätte schon vor einer Stunde bei Pinots sein müssen.“
„Ach, und ich dachte, die Hollywoodszene lässt dich kalt.“ Erstaunt sah Elinor ihren Sohn an.
„Hängt ganz davon ab, wer gerade dazugehört.“ Er stand auf, nickte erst seiner Mutter und dann Gina zu. „Ich lasse Sie wissen, wann wir die Studios besichtigen können.“
„Danke.“ Für mehr Worte war sie einfach zu müde. „Gute Nacht.“
Merkwürdigerweise hatte sie jedoch Kraft genug, um ihn zu beobachten, als er ins Haus ging. Seine breiten Schultern und die schmalen Hüften gefielen ihr. Natürlich war Ross nicht der erste Mann, den sie attraktiv fand. Aber noch nie hatte sie jemand physisch so angezogen. Doch erotische Wünsche konnte sie jetzt ganz und gar nicht gebrauchen. Die Situation hier in Los Angeles war schon verwirrend und belastend genug.
„Er ist weniger hart, als er wirken möchte“, sagte Elinor. Offenbar hatte sie bemerkt, wie Gina ihrem Sohn nachsah. „In den letzten Wochen hat er einen Schock nach dem anderen verkraften müssen.“
„Gibt es eine Chance für meinen Großvater?“
„Ich fürchte, nein. Als der Tumor entdeckt wurde, war es bereits zu spät für eine Operation. Äußerlich ist Oliver die Krankheit aber wenig anzumerken. Er nimmt Medikamente gegen die starken
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