Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
Welt und wollte auch gar nicht dazugehören. Je schneller sie in ihre eigene zurückkehrte, desto besser.
Wie aus heiterem Himmel war der Brief ihres Großvaters in ihr Leben geflattert und hatte sie und ihre Eltern in Aufruhr versetzt. Am liebsten wäre sie gar nicht darauf eingegangen. Aber sie konnte die Bitte des alten Mannes nicht einfach ablehnen. Ihr Großvater hatte sie ausfindig gemacht, weil er nicht sterben wollte, ohne eine alte Schuld zu begleichen.
Als sie nach unten ging, war es erst kurz nach sieben. Weil in der Halle niemand war, den sie nach dem Weg hätte fragen können, öffnete sie irgendeine Tür und stand auf einmal in einem Speisezimmer. Aber der glänzende Mahagonitisch war nicht gedeckt und die schweren silbernen Halter ohne Kerzen. Offenbar wurde der Raum nur zu offiziellen Anlässen genutzt.
Bis sie endlich die richtige erwischte, öffnete Gina noch einige weitere Türen. Im ganzen Haus war es angenehm kühl. Erst als sie auf die riesige Terrasse trat, schlug ihr die Hitze wie aus einem Backofen entgegen. Schnell flüchtete sie unter die Schatten spendenden Sonnenschirme.
Ross saß an einem Tisch, den linken Fuß leger auf die Sprosse des Nachbarstuhls gestellt, das rechte Bein ausgestreckt und mit einem Glas an den Lippen. Ohne Jackett und mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, die den Blick automatisch auf seine gebräunten Unterarme lenkten, wirkte er lässig und natürlich. Als er sie sah, erhob er sich.
„Macht Ihnen die Zeitverschiebung nicht zu schaffen?“, fragte er.
„Bis jetzt geht es noch“, antwortete Gina. „Ich wundere mich allerdings selbst darüber, denn bei mir zu Hause ist es jetzt drei Uhr nachts.“
„Am besten, Sie legen sich nicht zu früh schlafen. Dann finden Sie leichter in den hiesigen Tag-Nacht-Rhythmus. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?“
„Einen Kir, bitte.“
Prompt gab er ihren Wunsch an eine Frau weiter, die an der offenen Terrassentür stand. Gina setzte sich auf den Stuhl, den Ross für sie herangezogen hatte, und beobachtete ihn, während er selbst wieder Platz nahm. Im Profil wirkte er noch strenger. Die harte Linie seines Kinns deutete auf eine unerbittliche Entschlossenheit hin.
„Bleiben Sie zum Abendessen?“, fragte sie.
„Ja, ich esse mit.“ Er räusperte sich kurz. „Meine Mutter hätte Ihnen sagen sollen, dass wir zu Hause bequeme Kleidung tragen. Trotzdem, Sie sehen bezaubernd aus.“
„Danke!“ Instinktiv versuchte sie, die Peinlichkeit zu überspielen. „Meine Mutter plädiert im Zweifelsfall immer für einen Kompromiss. Deshalb habe ich mir das Haar nicht hochgesteckt.“
Bei dieser Antwort blitzten seine Augen belustigt auf. „Sie haben zweifelsohne die Schlagfertigkeit der Harlows geerbt. Oliver fällt auch immer eine passende Antwort ein.“
„Wann werde ich ihn kennenlernen?“
„Ich fürchte, erst morgen früh. Heute ist er zu schwach.“
Nun brauchte sie doch eine Weile, bis sie sich traute, ihre nächste Frage zu stellen. „Wie viel Zeit bleibt ihm noch?“
Ross’ Augen verdunkelten sich, ein Muskel an seiner Stirn zuckte. „Ein paar Wochen. Vielleicht nur noch Tage, vielleicht aber auch Monate. Er ist eine Kämpfernatur.“ Er änderte seinen Tonfall. „Ich hoffe, Sie berücksichtigen das, wenn Sie mit ihm sprechen.“
„Na, hören Sie mal. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich keinen Groll gegen ihn hege. Was geschehen ist, ist geschehen. In ein paar Tagen fliege ich wieder nach Hause.“
Eine Weile sah er sie prüfend an. „Der Weg ist verdammt lang für einen kurzen Abstecher.“
„Warum sollte ich länger bleiben? Ich sehe keinen Sinn darin. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, erhebe ich keine Ansprüche. Meinetwegen können Sie alles bekommen.“
„Sie glauben also, dass es mir nur darum geht?“, fragte er kühl und mit zusammengekniffenen Lippen.
„Ich denke, dass Sie in dem Bewusstsein erzogen wurden, der natürliche Erbe von all dem hier zu sein“, entgegnete sie und machte eine ausladende Handbewegung. „Demzufolge wäre es nur allzu menschlich, wenn Sie verbittert auf Konkurrenz reagierten. Besonders, wenn diese so unvorhergesehen auf der Bildfläche erscheint wie ich.“
„Und ich finde, Ihre angeblichen Pläne liegen nun einmal nicht in der Natur des Menschen“, widersprach er scharf. „Sie müssten ja geradezu verrückt sein. Und so schätze ich Sie wahrhaftig nicht ein.“
Mit großer Mühe hielt Gina seinem kühlen Blick stand. „Egal, wie Sie es finden, es
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