Julia Extra 0353
seine Hand. „Es tut mir leid. Vielleicht ist es an der Zeit, die Vergangenheit loszulassen. Vorhin haben wir auf den Neuanfang getrunken. Warum lassen wir es nicht dabei und fangen noch einmal ganz von vorne an?“
Wenn es nur so einfach wäre!
Denn es war seine Vergangenheit, die ihn zu dem Menschen gemacht hatte, der er heute war. Wie konnte er loslassen, ohne sich selbst zu verlieren?
Er wüsste nicht einmal, wo er beginnen sollte.
Versprechen oder nicht! dachte er plötzlich. Er konnte es nicht tun. Das konnte er weder sich selbst noch ihr antun. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer, und die Wände des Bistros schienen näher zu kommen. Er musste hier raus, an die frische Luft! In eine Welt, in der er wieder allein und Gabriella in Sicherheit vor ihm war.
„Bist du fertig?“ Er war bereits aufgestanden und warf einige Scheine auf den Tisch.
Gabriella blinzelte überrascht und nahm ihren Mantel, während er schon wie ein dunkler Schatten hinaus in die Nacht ging.
Es regnete. Die Straßenlaternen am Ufer der Seine warfen ihre bunten Schatten auf das nasse Pflaster.
„Raoul!“ Gabriella lief schneller, um ihn einzuholen. „Was ist los? Habe ich etwas Falsches gesagt?“
„Nein, es hat nichts mit dem zu tun, was du gesagt oder getan hast.“
„Was dann?“
„Es liegt an mir, Gabriella.“ Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geohrfeigt. Jetzt war sie also nicht mehr Bella für ihn. „Ohne mich bist du besser dran.“
„Nein, Raoul! Wie kannst du das sagen?“
„Weil ich es weiß! Du hattest recht, nicht mit nach Venedig zu kommen.“
Er winkte ein Taxi herbei und ließ sie einsteigen. Doch statt ihr zu folgen, nannte er dem Fahrer ihre Adresse.
Gabriella konnte ihn gerade noch daran hindern, die Tür zu schließen. „Was tust du?“
„Ich schicke dich nach Hause. Auf Wiedersehen, Gabriella.“
„Nein! Nicht bevor ich weiß, wann ich dich wiedersehe.“
„Du willst mich nicht wiedersehen.“
„Sag mir nicht, was ich will!“ In ihren Augen loderte ein rebellisches Feuer auf.
Als der Fahrer ein paar ungeduldige Worte rief, drehte sie sich zu ihm um und überschüttete ihn mit einigen Sätzen in schnellem Französisch. Dann wandte sie sich wieder an Raoul. „Verdammt noch mal, ich will nicht noch einmal zwölf Jahre auf dich warten!“
„Wer kann schon sagen, wie lange es sein wird?“
„Wann reist du ab? Wenn die Zeit reicht, können wir vorher noch zusammen zu Mittag essen.“
„Nein.“
„Dann Frühstück in deinem Hotel?“
„Unmöglich. Ich fahre schon frühmorgens.“
„Kannst du es nicht verschieben?“
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich geschäftlich wegmuss.“
„Und das kann nicht warten?“
„Nein.“
Wütend ballte Gabriella die Fäuste. Er war wie ein Fels, und sie konnte nicht einmal auf ihn einschlagen. Sie wusste, er würde nichts spüren. „Vielleicht könnte ich doch mit dir kommen, und wenn nur für ein oder zwei Tage.“
„Es tut mir leid, Gabriella. Ich war voreilig mit meiner Einladung.“
„Aber das ist nicht fair! Erst fragst du mich, und jetzt änderst du einfach deine Meinung. Warum?“
„Weil es keinen Sinn hat! Weil ich es nicht tun kann – bitte versuch nicht, mich zu überreden.“
„Um Himmels willen, Raoul! Nach zwölf Jahren platzt du in mein Leben, und dann verschwindest du einfach wieder! Kannst du mir nicht wenigstens ein bisschen geben?“
„Aber das tue ich, Bella. Ich gebe dir deine Freiheit. Pass gut darauf auf.“ Er drehte sich um und verschwand in die nasse, dunkle Pariser Nacht.
In dieser Nacht träumte er von Katia. Mit ihren langen, schlanken Gliedern und den Augen einer Tänzerin tauchte sie aus dem Nebel auf und lächelte ihn lockend an. Er träumte von Partys, auf denen der Champagner in Strömen floss, Lachen, Tanzen, Sex.
Irgendwann wurde der Nebel dunkel und faulig, und Katias Lächeln wurde zu einem Hilfeschrei. Er versuchte, seine Füße zu bewegen, wollte zu ihr laufen …
Schweißgebadet wachte er auf, sein Herz raste. Raoul brauchte einige Sekunden, bis er merkte, dass das laute Klopfen von der Tür kam, nicht nur aus seiner Brust.
Sein Blick fiel auf die Nachttischuhr. Er hatte verschlafen! Aber wieso machte der Zimmerservice so einen Krach?
„Ich komme!“, rief er, schlang sich ein Handtuch um die Hüften und öffnete die Tür.
Aber nicht der Zimmerservice stand vor der Tür. Es war Gabriella, und sie fiel tränenüberströmt in seine Arme. Wie hatte sie ihn gefunden?
„Raoul,
Weitere Kostenlose Bücher