Julia Extra 0357
schließlich, nachdem er die Tonfolgen mehrere Male ohne Fehler gespielt hatte. „Jetzt zu deinem Teil des Deals.“
„Einverstanden.“ Cass stand auf, schloss die bodenlangen Vorhänge an den Schaufenstern und kehrte wieder zur Klavierbank zurück. Sie bat Neo nicht, ihr Platz zu machen, und so blieb er an ihrer Seite sitzen, wenn auch seltsam verlegen.
Sie begann mit einem Stück, das er von ihren veröffentlichten Alben kannte. Es war eines seiner Lieblingsstücke. Regungslos saß er da und lauschte, während sie nur für ihn spielte. Viel zu schnell war es vorbei, doch er wusste, die Erinnerung an dieses spontane Privatkonzert würde er auf immer bewahren.
Dann spielte sie ein zweites Werk. Ihre Finger flogen über die Tasten, entlockten dem Flügel ätherische Töne, und Neo wusste, die neue CD würde die beste werden, die sie bisher veröffentlicht hatte.
Nachdem die letzten Akkorde verklungen waren, legte Cass die Hände in den Schoß und sah Neo lächelnd an. „Schön, nicht wahr?“
Er wusste nicht, ob sie den Steinway meinte oder ihre Musik, aber mit seinem „Ja“ schloss er beides ein. „Danke“, sagte er bewegt und hätte seine Dankbarkeit am liebsten mit einem Kuss ausgedrückt.
Ihre Augen strahlten golden vor Freude über die Musik – und da lag noch etwas in ihnen, das Neo jedoch nicht bestimmen konnte. „Gern geschehen. Es war das erste Mal, dass ich an einem öffentlichen Ort gespielt und es auch genossen habe.“
Der Laden war vielleicht kein Konzertsaal, aber Neo war stolz auf Cass, dass sie ihren Teil der Abmachung eingehalten hatte. „Ich bin froh, dass ich helfen konnte.“
„Bei dir fühle ich mich sicher“, sagte sie und raubte ihm damit die Sprache. Prompt lief sie rot an und senkte den Kopf. „Wird es nicht Zeit, zum Lunch zurückzukehren?“
„Ich glaube schon.“ Mit einem Finger hob er ihr Gesicht an, damit er ihr in die Augen sehen konnte. „Danke. Selten in meinem Leben habe ich mich so geehrt gefühlt wie durch dein Vertrauen.“ Langsam beugte er den Kopf, ohne dass es ihm wirklich bewusst war.
Cass schnappte leise nach Luft. „Wirst du mich jetzt wieder küssen?“
Er ruckte zurück. „Keine gute Idee.“
„Warum nicht?“
„Wir sind Freunde.“
„Und Freunde küssen sich nicht.“ Sie zog sich zurück und lächelte, wollte damit die Atmosphäre entspannen.
Erleichtert ging er darauf ein. „Zephyr küsse ich ja auch nicht.“
„Lügner. Ihr Griechen küsst euch ständig auf die Wangen.“
„Ach das.“ Sein erstes Entsetzen flaute rasch wieder ab. „Das ist nicht das Gleiche.“
„Vielleicht, dennoch ist es ein Kuss.“
„Du begibst dich hier auf dünnes Eis, pethi mou .“
„Pethi mou?“
„Das heißt Kleines.“ Meine Kleine . Aber das würde er ihr nicht sagen.
„So klein bin ich nicht.“
„Verglichen mit mir schon.“
„Du bist einfach nur zu groß.“
„Ich dachte, das wäre nur mein Ego.“
„Aha, also haben sich ein paar Freundinnen beschwert.“
„Ich hatte noch nie eine Freundin. Aber ja, von meinen Gespielinnen hat mehr als nur eine die Bemerkung fallen lassen, ich besäße ein gesundes Ego.“
„Kann ich mir vorstellen.“
„Und ich sage dir, was ich auch ihnen erwidert habe: Es ist berechtigt.“
„Und? Waren sie ebenfalls dieser Meinung?“
„Selbstverständlich.“
Sie wandte den Kopf ab, kaute an ihrer Lippe. Dieser anbetungswürdige Ausdruck stand wieder auf ihrer Miene. Neo könnte sich wirklich sehr leicht daran gewöhnen. Die schüchterne Cassandra Baker gefiel ihm. Er fragte sich, ob er ihr das sagen sollte. Nicht jeder war der Ansicht, dass sie Konzerte geben musste, um etwas Besonderes zu sein.
„Ich hatte auch noch nie einen Freund“, drang ihr Flüstern in seine Gedanken.
„Noch nie?“ Es hätte ihn nicht überraschen sollen. Er hatte schon vermutet, dass sie noch Jungfrau war – aber völlig unerfahren mit dem Spiel zwischen den Geschlechtern? „Wie alt bist du eigentlich?“
„Neunundzwanzig … Ein Freak.“
„Nein“, er hielt sie bei den Schultern, bis sie ihm endlich in die Augen schaute, „du bist ein einzigartiger Mensch. Willst du damit sagen, das heute Morgen war dein erster Kuss?“
„Ehrlich gesagt … ja.“
Na, war das nicht großartig?! Seine Libido reagierte sofort. „Ich wünschte, ich hätte das gewusst. Dann hätte ich es zu etwas Besonderem für dich gemacht.“
„Für mich war es ziemlich besonders.“
„Es hätte noch besser sein
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