Julia Extra 0357
klingt so sentimental.“
„Die Wahrheit ist nicht sentimental.“ Er war beleidigt, das konnte sie seinem Ton entnehmen.
Sie musste sich ein Grinsen verkneifen. „Auf jeden Fall freue ich mich, dass es diese Wahrheit in deinem Leben gibt.“
„Du dagegen kennst eine solche Wahrheit nicht. Deine Eltern wurden dir lange vor ihrem Tod durch die Krankheit deiner Mutter und die Entscheidungen deines Vaters genommen.“
Widersprechen konnte sie dem nicht, aber sie brachte es auch nicht über sich, es zuzugeben.
„Und nun gibt es niemanden mehr, den du als Familie bezeichnen würdest.“
Wie recht er doch hatte! Zwar pflegte sie online Bekanntschaften, doch das erfüllte nicht die Sehnsucht ihres Herzens nach Nähe. Genau deshalb würde sie jeden Moment der Freundschaft mit Neo auskosten.
Trotz dieses Vorsatzes zuckte sie gespielt gleichgültig mit den Schultern. „Ich habe Freunde.“
„Aber niemanden, dem du so vertraust wie ich Zephyr.“
„So sehr habe ich nicht einmal meinen Eltern vertraut. Und mit Geschwistern wäre es wohl ähnlich gewesen.“
„Das kannst du nicht wissen, weil du keine Geschwister hast.“
„Als Kind stellte ich mir immer vor, wie es sein müsste, Brüder und Schwestern zu haben, die mich lieben, wie ich bin, und nicht nur, weil ich Klavier spielen kann.“
Er streckte den Arm über den Tisch und legte die Hand an ihre Wange. „Ich versichere dir, unsere Freundschaft hat nichts damit zu tun, dass du Klavier spielst.“
Und obwohl sie seine Klavierlehrerin war und er ihr Schüler, glaubte sie ihm. „Danke.“
„Bis zu meinem nächsten Meeting sind es noch zwei Stunden. Fällt dir etwas ein, das wir bis dahin unternehmen können?“
„Siehst du dir gern Filme an?“
„Meine heimliche Schwäche.“
Cass lächelte. „Dann also ein Spielfilm.“
Beim Durchsehen seiner DVD-Sammlung entdeckte sie, dass Neo alte Filme mochte, genau wie sie. Zusammen sahen sie sich einen Film mit Katharine Hepburn und Spencer Tracy an und lachten dabei an denselben Stellen.
Als der Film zu Ende war, machte Neo sich für sein Meeting fertig. „Du kannst so lange hier oben bleiben, wenn du möchtest“, bot er Cass an.
„Danke, gern.“ Dann seufzte sie. „Hätte ich vorher gewusst, dass es hier oben einen Pool gibt, hätte ich Schwimmzeug mitgebracht.“
„Zephyr und ich haben eine ganze Kollektion von Badekleidung für Gäste, die jedes Frühjahr gegen die neuen Modelle ausgetauscht wird. Ich bin sicher, du wirst etwas im Umkleideraum finden.“
„Wirklich? Nun, für zwei Playboys wie euch ist das wohl eine lohnende Investition.“
„Ein- oder zweimal war es tatsächlich nützlich.“ Er wurde nicht einmal rot.
„Da wette ich drauf.“ Es dauerte, bis Cass das nagende Gefühl in ihrem Inneren als Eifersucht identifizierte, nur weigerte sie sich, es zu akzeptieren. Sie hatte keinerlei Ansprüche auf Neo, selbst wenn er sie geküsst hatte. Sogar zweimal.
„Durch diese Tür kommst du zum Pool. Du wirst sie mit einem Stuhl offen halten müssen, weil sie automatisch schließt, sobald sie zufällt. Ich werde eine Codekarte für dich anfertigen lassen, die zur Schwimmhalle führt, aber weder zu meinem noch zu Zephyrs Apartment.“
Aha, so weit ging sein Vertrauen dann doch nicht. Nun, verständlich. Das Erstaunliche war doch, dass er ihr überhaupt vertraute. „Du hast ein Faible für Türen, die sich selbst verschließen, was?“
„Sicherheit steht immer an erster Stelle.“
Seine todernste Miene ließ sie in schallendes Gelächter ausbrechen. Und Neo stand noch immer ein Grinsen auf dem Gesicht, als er das Apartment verließ.
Cass fand einen rostroten Bikini, der ihr wie angegossen passte und in dem sie sich extrem sexy fühlte. Sie hatte auch keine Bedenken, dass Neo sie so sehen könnte. Sollte der verführerische Schnitt des Bikinis ihn dazu veranlassen, sie noch einmal zu küssen, würde sie sicher nicht protestieren.
Das Wasser hatte genau die richtige Temperatur, und so schwamm Cass mehrere Bahnen. Sie genoss ihre unverhoffte Pause.
Als Neo zurückkehrte, saß sie auf dem Beckenrand, die Füße im Wasser. Er sah nicht besonders zufrieden aus.
„Ist das Meeting nicht gut gelaufen?“, fragte sie.
„Ich ärgere mich, weil ich einen Unternehmer beauftragt habe, der offensichtlich nicht in der Lage ist, diesen großen Auftrag auszuführen – trotz anderslautender Versicherung.“
„Das passiert dir sicherlich nicht oft.“
„Stimmt. Er hat vorher gute Arbeit
Weitere Kostenlose Bücher