Julia Extra 260
ist.“
„Dieser Salon ist voller Frauen, die von ihren Männern abhängig sind. Sie alle warten gespannt darauf, was bei der Besprechung herauskommt, die Theo mit den Männern führt. Sie wollen, dass auch nach Dimitris Tod alles bleibt, wie es ist. Er hat sich die Verwandtschaft immer mit Geld vom Hals gehalten.“
„Dann sind die aber wirklich sehr kaltherzig.“
„Ja, das sind sie allerdings. Diesen Frauen geht es nur darum, dass ihr Unterhalt nicht angetastet wird. Außer uns beiden befindet sich in diesem Raum keine Frau, die nicht erst mit ihrem Ehemann abstimmen muss, was sie tut und lässt.“
„Im Ernst? Und womit beschäftigst du dich?“
„Ich sitze ganz bestimmt nicht den ganzen Tag herum und drehe Däumchen oder gehe pausenlos einkaufen, um meinen Unterhalt durchzubringen. Ich leite ein Tierheim.“
Miranda lächelte. Das hätte sie Lexis gar nicht zugetraut. Auch Theo schien das Mädchen unterschätzt zu haben. Sie war gar nicht so vergnügungssüchtig, wie er gedacht hatte. „Ein Urteil über diese Frauen steht uns nicht zu, Lexis. Wir beide stehen auf eigenen Füßen und haben etwas von der Welt gesehen, wohingegen sie vielleicht nie Gelegenheit dazu gehabt haben.“
„Du bist zu weichherzig.“ Lexis hakte sich bei ihr ein. Gemeinsam verließen sie den Salon wieder. „Jeder Mensch kann aus freien Stücken über sich selbst bestimmen.“
Miranda hatte sich in Lexis getäuscht. Erleichtert stellte sie fest, dass aus der Rivalin eine Verbündete geworden zu sein schien. „Zum Glück wird es dieses Problem zwischen Theo und mir nie geben. Ich werde immer arbeiten …“
„Hat er dir das zugesichert?“
„Er kann es mir nicht verbieten. Die Musik ist mein Leben – war mein Leben, bevor wir uns kennengelernt haben.“
„Aber deinen Beruf als Violinistin kannst du nicht mehr ausüben.“
„Nein, das stimmt leider.“ Miranda war selbst überrascht, dass diese Vorstellung plötzlich nicht mehr so sehr schmerzte. Das hatte wohl mit der neuen Aufgabe zu tun, der sie sich von nun an widmen wollte. „Ich kann aber unterrichten und mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben.“
„Die Zeiten ändern sich“, sagte Lexis. „Früher wurde von Männern in Theos Position verlangt, eine Jungfrau zu heiraten, die aus einer ebenbürtigen Familie stammt. Weißt du, in meinenKreisen ist es noch immer gang und gäbe, untereinander zu heiraten. Ich bin das beste Beispiel.“ Lexis ging mit Miranda in den Garten. „Mein Vater hatte mir Theo als Ehemann ausgesucht.“
„Und was hast du von der Wahl gehalten?“
„Darum geht es nicht, Miranda. Ich wurde gar nicht gefragt. Man hat mich nach Kalmos geschickt, damit Theo mich in Augenschein nehmen konnte. Ich kam mir vor wie eine Zuchtstute.“
„Das ist ja unglaublich!“
„Nein, Miranda, das ist das Geschäftsleben. Zum Glück hielt Theo nichts von der Idee und hat mich wieder nach Hause geschickt.“
„Aber warum hast du dich überhaupt auf so etwas eingelassen?“
„Weil ich meinen Vater sehr liebe.“
Sie sahen einander verständnisvoll an.
„Falls Theo damit einverstanden ist, dass du weiterhin arbeitest, bewahrst du dir wenigstens deine Unabhängigkeit.“
„Theo ist einverstanden“, antwortete Miranda lächelnd. „Ich denke nicht daran, mich jemals von einem Mann abhängig zu machen. Einmal wäre mir das fast passiert. Ich hatte geglaubt, mein Selbstbewusstsein, vor Publikum zu spielen, hinge von der Zustimmung meines Lehrers oder meines Managers ab. Dabei lag es allein an mir und meiner Arbeit, ob ich gut genug war, vors Publikum zu treten. Es ist sehr wichtig, nie seine eigenständige Persönlichkeit aufzugeben, selbst wenn die Liebe zu einem Partner noch so groß ist.“
„Davon bist du wirklich überzeugt, oder?“ Lexis schien ihren Optimismus nicht zu teilen.
„Natürlich.“ Miranda wunderte sich, warum Lexis plötzlich so ernst geworden war. „Warst du verliebt in Theo?“, fragte sie vorsichtig.
„Und wenn ich es gewesen wäre? Es hätte keine Rolle gespielt, denn Theo wollte mich ja nicht. Mein Vater und Dimitri Savakis hatten unser Treffen eingefädelt. Sie wollten unsere Heirat unbedingt, damit die beiden Großreedereien in den Besitz einer Familie übergehen. Ich hätte meinem Vater gleich sagen können, dass ein Mann wie Theo sich niemals auf so einen Handel einlassen würde. Aber er hätte sowieso nicht auf mich gehört.“
„Das tut mir wirklich sehr leid.“
„Schon gut, ich kann auf mich
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