Julia Extra 260
unterhielt sich schon seit fast einer Woche online mit dem geheimnisvollen Romeo. Die täglichen E-Mails waren zur abendlichen Routine geworden, auch wenn Paul ein netter Typ war und sie sich weiterhin mit ihm traf.
Sie redete sich ein, dass sie sich bloß alle Optionen offen hielt. Aber in Wirklichkeit hieß es auch, dass Paul eben nicht „der Eine“ war, ebenso wenig wie Bryan vor ihm.
Das wäre doch ziemlich traurig, so alt geworden zu sein, und das nicht irgendwann erlebt zu haben.
Nun ja, das beantwortet nicht gerade meine Frage, oder?
Der irritierende Ton, der jedes Mal erklang, wenn eine neue Nachricht von ihm aufleuchtete, ließ ihr Herz immer noch kurz stillstehen. Sie wusste nie ganz genau, was er als Nächstes sagen würde. Ob er einen Witz machen würde, über den sie oft noch beim Zubettgehen lächeln musste, oder ob er ihr eine Frage stellte, die auf unangenehme Weise in Richtung ihrer bestgehüteten Geheimnisse ging. Vielleicht war es diese gewisse Unberechenbarkeit, die sie immer wieder und weiter dazu brachte, sich zu einem virtuellen Gespräch mit ihm vor dem Computerbildschirm zu treffen. Oder war es das Geheimnisvolle, das eine Art Romantik mit hineinbrachte. Wer weiß?
Mir wurde schon ein, zwei Mal das Herz gebrochen.
Mit verschränkten Beinen wartete sie auf seine Antwort und hob die Wasserflasche zum Mund. Im Hintergrund lief leise Musik. Tatsächlich wechselten sie sich damit ab, eine bestimmte CD auszusuchen und während des „Gesprächs“ abzuspielen. So war es manchmal beinahe so, als seien sie im gleichen Raum.
Vor Kurzem?
Den Computer auf den Knien, antwortete sie mit zitternden Fingern. Ja, es ist nicht lange her.
Erzählst du mir von ihm?
Das war zu viel. Ihrer Erfahrung nach führte es unweigerlich zur Katastrophe, einer neuen Bekanntschaft von einer alten zu erzählen. Es war der uralte Konflikt: wie viel verriet man über sich, ohne sich und auch jemand anders zu sehr bloßzustellen?
Da gibt es nicht viel zu sagen, außer der Tatsache, dass es schlicht nicht funktioniert hat. Sie nippte an ihrem Wasser.
Sein Kommentar kam sofort. Die Sache mit den Beziehungen ist heutzutage ganz schön schwierig. Und manchmal wissen wir nicht, was wir wollen, bis wir es direkt vor unserer Nase haben.
Wie wahr. Sie wusste das nur allzu genau. Als sie dabei war, eine Antwort zu tippen, erschien eine weitere Nachricht von ihm auf dem Bildschirm. Was war es, das dich davon überzeugt hat, es würde nicht funktionieren? Hat er Schluss gemacht?
Na klar, so simpel war ihr Leben. Maggie musste laut lachen.
Sie löschte das bereits Geschriebene und setzte neu an. Ich musste ihn gehen lassen. Ich hätte ihm nie das geben können, was er brauchte und sich wünschte.
Darauf kam zunächst nichts, und sie schloss kurz die Augen und lauschte der Musik. Was auch immer für ein Typ dieser Romeo sonst sein mochte – was die Wahl seiner Musik anging, war er jedenfalls ein Romantiker. Maggie war nie ein großer Fan klassischer Musik gewesen, aber Geigen beispielsweise berührten eine Seite an ihr, die sie offenbar bisher verleugnet hatte.
Da erklang der bekannte Ton des Computers. Da bin ich wieder. Hast du mich schon vermisst? Wo waren wir gerade? Ach ja, du konntest ihm also nicht geben, was er brauchte. Was war denn das? War er irgendwie seltsam?
Nicht, dass ich wüsste, aber das kommt drauf an, wie du „seltsam“ definierst. Außerdem: Ein bisschen seltsam finde ich gar nicht schlecht.
Ich wusste, es gibt einen Grund, dich zu mögen.
Pass bloß auf, ich fange auch gerade an, dich zu mögen.
Dann sollte ich mich also besser gut benehmen …
Allerdings.
Manchmal, wenn sie sich so schrieben, schien es ihr, als würden sie sich seit Ewigkeiten kennen. Es machte sie misstrauisch, dass es sich so normal anfühlte; es müsste ihr doch eigentlich etwas unangenehm sein, wie mit den anderen vor ihm, aber das war es einfach nicht. Es passte einfach. Und das machte ihr Hoffnung.
Willst du mir erzählen, dieser Typ brauchte dich ganz unbedingt?
Maggie lachte laut auf. Nein, natürlich war das nicht der Fall, jedenfalls nicht so, wie Romeo es sich wahrscheinlich vorstellte. Er sehnte sich nach etwas. Das war ein Unterschied.
Nein. Es gab einfach Dinge, die er wollte und auch verdient, die ich ihm nicht geben konnte. Es war nicht sein Fehler.
Bekomme ich einen Hinweis?
Du bist doch ein kluger Junge. Denk einfach drüber nach.
Oh, ich sehe schon, ein Geheimnis. Jetzt bin ich neugierig. Von dem,
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