Julia Extra 260
Gebäude direkt gegenüber von Sydneys Innenhafen.
Adressen am Wasser waren in Sydney überaus teuer und steigerten den Wert eines Apartments um einiges. Jason konnte außerdem einen elegant gekleideten Wachmann im großzügigen Foyer des Gebäudes sehen – ein weiteres Indiz dafür, dass es sich hier um eine der Topadressen der Stadt handelte.
Es war unmöglich, dass sich Leah Johannsen eigenständig eine solche Wohnung leisten konnte. Nicht bei dem Gehalt, das Beville Holdings ihr zahlte. Vielleicht teilte sie sich die Wohnung mit einigen Mitbewohnerinnen?
Jason hatte nicht damit gerechnet, dass Leah vielleicht nicht allein lebte, geschweige denn, dass ein Wachmann den Weg hinein versperrte.
Plötzlich schien sein unangekündigtes Auftauchen eine äußerst schlechte Idee zu sein. Sein Scheitern war vorprogrammiert.
Allerdings konnte er sich auch nicht mit dem Gedanken anfreunden, unverrichteter Dinge wieder davonzuziehen.
Verdammt, er wünschte sich wirklich, er wüsste mehr über diese Frau. Sich in der Firma nach ihr zu erkundigen, hatte nicht viel mehr gebracht als die Erkenntnis, dass sie offensichtlich keinen Freund hatte. Ihre Personalakte half auch nicht viel weiter.
Ihre Vergangenheit war voller Löcher. Er hätte zu gerne gewusst, was sie zwischen der Beendigung der Schule und ihrer Einstellung bei Beville Holdings vor einem Jahr getan hatte.
Wenn er ehrlich war, gefiel ihm sogar die Tatsache, dass sie ihm nicht sofort zu Füßen gefallen war. Er mochte ihre Stärke, ihren Charakter. Er verstand nur einfach nicht, warum die Chemie, die so offensichtlich zwischen ihnen bestand, ihr eine solche Angst einjagte. Es machte keinen Sinn. Es war verrückt, ganz so, wie er gesagt hatte.
Also, was tun, Jason? Nach Hause fahren oder ein Risiko eingehen und sie anrufen? Er hatte ihre Telefonnummer genauso wie ihre Adresse.
Im nächsten Moment hatte er auch schon sein Handy in der Hand. Denn er konnte einfach nicht umkehren, ohne zumindest versucht zu haben, die Wahrheit herauszufinden.
Leah verknotete den Gürtel ihres Seidenmorgenmantels, ehe sie das Glas Chablis in die Küche zurücktrug und den mittlerweile lauwarmen Inhalt in die Spüle goss.
Und was nun?, fragte sie sich.
Als Leah nach Hause gekommen war, war sie so aufgewühlt gewesen, dass sie sich auf nichts konzentrieren konnte. Essen stand außer Frage. Sie bekäme keinen Bissen hinunter. Also tigerte sie durch ihre Wohnung und machte sich Vorwürfe – sie nannte sich eine Närrin und einen Feigling. Dann ging sie auf den Balkon und starrte endlos lange auf das Wasser des Hafens hinaus, doch auch das hatte sie nicht beruhigen können.
Schließlich ließ sie sich ein heißes Bad ein, füllte ein Glas mit Wein und lag ewig lange in dem parfümierten Wasser, bis es kalt wurde, wobei sie krampfhaft darum bemüht war, nicht daran zu denken, wie es sich angefühlt hatte, als Jason sie geküsst hatte.
Ein sinnloses Unterfangen.
Sie konnte an nichts anderes denken.
Das Gefühl seiner Lippen auf ihren war überwältigend gewesen. Nie hatte sie etwas Ähnliches erlebt. Sie fühlte sich wie im siebten Himmel. Doch dann hatten ihre dummen Ängste die Oberhand gewonnen, und sie war davongelaufen.
Jason hatte sie verrückt genannt, und sie konnte nur zustimmen. Wie lange wollte sie es noch zulassen, dass ihre Furcht vor Zurückweisung und Erniedrigung alles ruinierte? Wollte sie wirklich den ganzen Rest ihres Lebens nie wieder Sex haben?
Leah seufzte. Sie hatte heute Nachmittag mit Jason wirklich alles vermasselt. Jetzt würde sie tatsächlich am kommendenMontag kündigen müssen. Es gab gar keinen anderen Ausweg. Nach diesem Vorfall konnte sie unmöglich weiter mit dem Mann zusammenarbeiten.
„Ich hätte es nicht zulassen dürfen, dass er mich küsst“, murmelte sie laut, während sie sich ein frisches Glas Wein einschenkte. Aber verdammt, es hatte sich so richtig angefühlt.
Das Klingeln des Telefons durchbrach ihre frustrierten Gedanken.
„Mist!“, rief sie. Sie hatte keine Lust, mit jemandem zu sprechen. Vor allem nicht mit ihrem Vater. Und wer sollte es sonst zu dieser Uhrzeit an einem Freitagabend sein?
Vielleicht hatte sie ja Glück, und es war nur ein Werbeanruf, den sie schnell abwimmeln konnte.
Leah eilte ins Wohnzimmer, stellte ihr Glas Wein ab und griff nach dem Telefon.
„Ja?“, fragte sie ungeduldig.
„Leah?“
Ihr Herz machte einen Satz. Er war es. Ihr zukünftiger Exchef. Jason Pollack. Er hatte es sich offensichtlich
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