Julia Extra 360
können wir natürlich beibehalten“, versicherte er rasch und in völlig sachlichem Ton. „Mein Team arbeitet weiterhin mit deinem zusammen, gemeinsam schaffen wir das Projekt. Deine und meine Leute kommen ja, wie es bisher aussieht, gut miteinander aus. Es besteht also keine Notwenigkeit, die Zusammenarbeit aufzukündigen.“
„Das war nicht das Abkommen“, konterte Ellie. „Du sollst mir helfen, Jiao zu adoptieren.“
„Das habe ich weiterhin vor. Du musst mir nur mitteilen, wann das Gespräch mit den Leuten stattfindet, und ich bin sofort zur Stelle.“
„Und tust so, als wärst du mein Ehemann“, ergänzte sie den Satz.
„Das war doch die Abmachung oder?“
Ellie schwieg. Unten auf der Straße hupte ein Auto, ein Hund bellte, Vögel zwitscherten leise in der Dämmerung. Eine leichte Brise wehte vom Hafen her.
„Der Kuss eben war also sozusagen nur wie die Unterschrift auf einem Vertrag“, meinte Ellie schließlich. „Du willst Hilfe für deine Firma, ich will ein Kind. Durch die Ehe bekommen wir beide das, was wir uns wünschen. Nur darum geht es, eine ganz simple geschäftliche Transaktion.“ Sie kam wieder näher zu ihm. „Oder ist es für dich mittlerweile auch mehr?“
Finn konnte ihr nicht sagen, dass er es leid war, immer allein zu schlafen. Nur den eigenen Atem, die eigenen Schritte in der Wohnung zu hören. Er mochte nicht länger Tag und Nacht arbeiten und sich dabei fragen, wozu eigentlich.
Er hatte sie kennengelernt und sich gefragt, wie es wäre, mehr als ein einsames arbeitsreiches Leben zu haben.
Nein, das alles wollte er ihr nicht gestehen, denn damit hätte er ihr eine Tür zu seinem Herzen geöffnet. Dann wäre er nie mehr in der Lage, Ellie einfach gehen zu lassen. Er würde sich in Gefühle verstricken, was er immer vermieden hatte.
Es war besser, sie hielt ihn für kalt und unpersönlich.
Oder Schlimmeres, nämlich absolut herzlos.
„Das alles ist nicht einfach“, erklärte Finn schließlich und seufzte.
„Was ist so schlimm daran, sich auf einen anderen Menschen einzulassen? Weshalb hast du so viel Angst davor, Finn?“
„Wieso Angst? Immerhin habe ich dich geheiratet!“
„Ja, zum Schein. Das kann man keine Beziehung nennen. Am Anfang wollte ich ja auch nur ein Abkommen, aber …“ Sie atmete aus und schüttelte den Kopf. „Seither habe ich manchmal gemeint, andere Seiten an dir zu entdecken. Richtig menschliche. Da habe ich mich dann gefragt, wie es wäre, mein Glück mit dir zu versuchen. Ich gehe normalerweise kein Risiko ein, schon gar nicht, wenn mein Herz betroffen ist. Jetzt ist mir jedenfalls klar, dass du den Spitznamen Hawk verdienst. Habichte sind schließlich nicht für ihre großen Gefühle berüchtigt.“
„Du siehst das falsch“, wehrte er sich. „Glaubst du etwa, wir könnten diese Scheinehe in eine richtige verwandeln? Den Traum vom glücklichen Leben verwirklichen und als Familie mit zwei Kindern und einem Hund weitermachen?“
„Nein.“ In ihren Augen schimmerten Tränen. „Jetzt nicht mehr.“
Er wandte den Blick ab. „Tut mir leid. Aber ich muss Klartext reden. Ich kann dir nicht mehr geben, als wir im Vertrag festgehalten haben.“
Sicher, sie könnten eine heiße Romanze erleben, aber nur auf Zeit. Am Ende wären sie ausgebrannt, und das Kind würde leiden.
Ellie war auf dem falschen Weg, und wenn er sie nicht abhielt, würde es für alle Beteiligten schlecht ausgehen.
Tränen liefen ihr plötzlich über die Wangen. „Mehr bin ich also nicht? Nur eine Vertragspartnerin?“
„Das wolltest du doch, Ellie! Es ist für uns alle das Beste.“
Finn drehte sich um und ging nach drinnen, bevor ihre Tränen ihn umstimmen konnten.
8. KAPITEL
Ihr Vater lächelte, und das bewies Ellie, dass es ihm heute gut ging. Der Doktor hatte sich auch vorsichtig optimistisch geäußert und zum ersten Mal davon gesprochen, dass Henry Winston bald entlassen werden könnte.
Sie schob den Besucherstuhl zum Bett und registrierte das beinah leere Essenstablett auf dem Nachttisch, was ein gutes Zeichen war. Ihr Vater sah auch nicht mehr so blass aus, und das war ein weiterer Grund zur Hoffnung.
Gute Neuigkeiten kann ich nach der gestrigen Enttäuschung dringend brauchen, dachte Ellie. Sie hatte einen großen Teil der Nacht schlaflos verbracht und sich gefragt, ob Finn Wort halten und sie bei der Adoption von Jiao unterstützen würde. Seit gestern Abend hatte sie nichts mehr von ihm gehört.
Sie hätte ihn ja anrufen und fragen können, aber
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