Julia Extra 360
Nachricht hinterlassen.“
„Wenn Sie ihn erreichen, sorgen Sie dafür, dass er sich bei mir meldet. Er will mich am Montag nicht dabeihaben, aber er soll ohne mich nicht mit diesem Bauunternehmer reden. Er ist ein unangenehmer Zeitgenosse.“
„Wirklich?“ Normalerweise hätte Charlotte es an Nico weitergegeben und das Gespräch nicht fortgeführt. Nur interessierte sie sich viel zu sehr für den geheimnisvollen Zander, um sich die Gelegenheit entgehen zu lassen, mehr über ihn zu erfahren. „Zander scheint unnachgiebig zu sein, aber …“
Der Anwalt sagte etwas auf Griechisch, dann übersetzte er. „Hier auf Xanos heißt es, er ist jemand, der seine eigene Mutter an den Meistbietenden verkaufen würde. Nico muss aufpassen. Sorgen Sie dafür, dass er mich anruft.“
Paulo ist immer vorsichtig, tröstete sich Charlotte, als sie auflegte. Vorsichtig zu sein war sein Job. Auf alle Fälle dachte sie viel zu oft an einen Mann, dem sie noch nicht einmal begegnet war, mit dem sie lediglich telefoniert hatte. Aber er sollte nicht so sein, wie Paulo ihn beschrieb. Sie wollte, dass Zander ganz genauso toll war, wie sie ihn sich vorgestellt hatte.
Um sich abzulenken, ging Charlotte nach draußen auf den Balkon und blickte auf den schönen Strand und das azurblaue Wasser. Einen Moment lang fühlte sie sich in ihr altes Leben zurückversetzt. Außer dass sie keine Kollegen und Kolleginnen hatte, mit denen sie sich zum Essen treffen, die Insel erkunden oder am Pool liegen konnte.
Das unbehagliche Gefühl, das sie überkam, hatte etwas von Verbitterung und Opferhaltung. Während ihrer Kindheit hatte ihre Mutter ihr beides vorgelebt. Und es war das Allerletzte, was Charlotte wollte.
Sie musste über ihre Zukunft nachdenken.
Erst einmal wollte sie die letzten Sonnenstrahlen nutzen. Sie ging wieder hinein, zog ein schlichtes Etuikleid, eine leichte Strickjacke und Sandalen an und machte einen Strandspaziergang.
Obwohl Charlotte weit weg von zu Hause war und es guttat, einen Abend für sich zu haben, obwohl sie sich heimlich darauf freute, am Montag endlich Zander zu sehen, dachte sie an ihre Mutter.
Amanda hätte es hier geliebt. Die jährlichen Urlaube waren vielleicht Charlottes schönste Kindheitserinnerungen. Denn es war die einzige Zeit, in der sie ihre Mutter glücklich gesehen hatte. Die einzige Zeit, in der Amanda mit sich im Reinen zu sein schien anstatt verbittert, weil sie auf ihre Karriere verzichtet und weil ihr Liebhaber sie verächtlich zurückgewiesen hatte, als sie schwanger geworden war.
Wie könnte sie ihrer Mutter das antun – sie in einem Heim unterbringen, weil es das Leben leichter machte? Selbst nach all den Jahren hatte Charlotte noch ein schlechtes Gewissen wegen ihres kindischen Egoismus, wegen der Art, wie sie ihren abwesenden Vater vergöttert hatte, ohne etwas von den Opfern zu ahnen, die ihre Mutter gebracht hatte.
Oh, die lautstarken Streitereien und Tränen, die sie provoziert hatte. Jetzt schämte sich Charlotte dafür. Aber einmal im Jahr hatten sie es beiseitegelassen, waren Camber Sands oder Beachy Head entlanggegangen, ihre Mutter hatte jeden Abend eine Extraportion Pommes gekauft, dann hatten sie die Seemöwen gefüttert und gelacht und gejauchzt, wenn die Vögel verrücktspielten.
Da war Nico.
Als Charlotte aufblickte, sah sie ihren Chef Steine ins Wasser schleudern. Warum sie überrascht war, konnte sie sich nicht erklären, denn er wohnte ja hier. Sein Haus lag nur ein Stück weiter am selben Strandabschnitt.
Irgendetwas an ihm ließ sie stutzen. Entspannt wirkte er nicht, während er die flachen Steine warf, sodass sie übers Wasser sprangen. Seine Miene war so finster, dass Charlotte daran dachte, umzukehren, zu tun, als hätte sie ihn nicht gesehen. Vielleicht hatten er und seine Frau Constantine gerade Krach gehabt?
Aber es wäre schlimmer, wenn Nico sie entdeckte und glaubte, sie würde ihn ignorieren. Außerdem musste sie ihm Paulos Nachricht ausrichten. Deshalb ging Charlotte lächelnd auf ihren Chef zu und gab vor, seine schlechte Laune nicht bemerkt zu haben.
„Nico! Ich habe schon versucht, Sie anzurufen …“
Er drehte sich um, und ihr stockte der Atem. Obwohl er wie Nico aussah, obwohl er es sein musste, war der Mann nicht Nico. Der Blick eines Fremden war auf sie gerichtet.
„Entschuldigung.“ Charlotte ging rückwärts. „Ich habe mich geirrt.“
Völlig durcheinander drehte sie sich um und ging schnell davon. Sie wollte zurück ins Hotel, um
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